2010-02-11 11:54:41

Moraltheologe: „Im Gesundheitswesen umdenken“


RealAudioMP3 Das Anliegen des Papstes am Weltkrankentag ist nachvollziehbar und richtig – allerdings müssen die Bedingungen der Krankenseelsorge schärfer in den Blick genommen werden. Das fordert der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, der selbst Priester ist, im Gespräch mit Radio Vatikan:

 
„Dass es zu den sinnvollsten Tätigkeiten eines Priesters gehört, dass er Kranke besucht, Kranken Trost spendet, mit Kranken über den Sinn ihres Leidens spricht und ihnen die Krankensalbung spendet, dass ist unbestritten. Man wird aber hinzufügen müssen, jedenfalls ist das in Deutschland so, dass für die meisten Priester, die im Rahmen von Seelsorgeeinheiten tätig sind, diese sinnvolle Tätigkeit aus zeitlichen Gründen immer weiter eingeschränkt wird. Das gießt vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein dieser sinnvollen Aussagen des Papstes.“

 
Der Papst unterstreiche, dass Kranke ihr Leiden als Zeugnis für andere Menschen verstehen sollten und dass das „Passivsein“ und „Geduldhaben“ sinnvolle Möglichkeiten des Menschseins seien. Dass der Papst daran erinnert, sei wichtig. Der Moraltheologe:

 
„Als kritisches Korrektiv auch gegenüber einem unbegrenzten Leistungsideal, das Menschsein nur dann als würdig und erstrebenswert empfindet, wenn es gesund, leistungsstark und autonom ist. Allerdings würde ich sagen, dieses Zeugnis der Kranken gilt gegenüber ihrer Umgebung insgesamt. In besonderer Weise natürlich auch gegenüber Priestern. Aber eben nicht exklusiv, sondern gegenüber allen Menschen, die Kranken begegnen und die ihnen in der Weise der Pflege oder des Trostes zugetan sind.“

 
Ein weiterer Konflikt, der sich im Bereich des Gesundheitswesens zu Ungunsten der Kranken, aber auch der Ärzte, zuspitze, liege in der Verteilung knapper medizinischer Güter, so Schockenhoff. Er selbst ist auch Mitglied des Ethikrates in Berlin:

 
„Ein Arzt ist von seinem eigenen Ethos her zunächst verpflichtet, für das Wohl des erkrankten Menschen zu sorgen. Das ist seine Ausrichtung. Und zu dieser Orientierung am Wohlergehen des einzelnen Menschen kommt nun durch den Zwang, wirtschaftlich zu handeln, auch im ärztlichen Tun eine zweite Blickrichtung hinzu: Er muss nämlich gleichzeitig über die Ausnutzung knapper medizinischer Ressourcen entscheiden. Und das kann ein Widerspruch sein und bis zum Gegensatz gehen. Das ist eigentlich mit dem ursprünglichen ärztlichen Ethos unvereinbar.“

 
Während des Wirtschaftswachstums hätten auch im medizinischen Bereich scheinbar unbegrenzte Mittel zur Verfügung gestanden. Im Zuge der jüngsten gesundheitspolitischen Entwicklungen verschärfe sich die Finanzlage für medizinische Behandlungen. Schockenhoff erläutert die Situation der Ärzte:

 
„Dagegen ist so lange nichts einzuwenden, so lange sie dazu angehalten sind, unter zwei gleichrangigen Therapiemöglichkeiten die kostengünstigere zu wählen. Das ist auch aus ethischen Gesichtspunkten zu begrüßen. Denn eine Verschwendung knapper Güter wäre ebenfalls unethisch, weil sie anderen Patienten das vorenthält, was ihnen mehr nützen würde. Eine Schwierigkeit für das ärztliche Handeln ergibt sich aus der verdeckten Rationierung, die wir schon haben.“

Und der Moraltheologe führt aus:

 
„Zum Beispiel durch die Quartalsdeckelung, wo die Mittel zum Quartalsende schon aufgebraucht sind und ein Arzt diese Mittel nur noch in Notfällen überschreiten darf. Oder durch die Kostenpauschale für bestimmte Krankheitsbilder im Krankenhaus. Das kann dazu führen, dass ein Patient, dem vielleicht gemäß seines Krankheitsbildes eine intensivere Untersuchung oder Behandlung zuteil werden müsste, diese nicht bekommt, weil ein Krankenhaus sie nicht über die Pauschale abdecken kann.“

 
Von der Politik verlangt Schockenhoff eine größere Transparenz bei der Priorisierung und Rationalisierung medizinischer Güter. Das könne auch etwas von dem Druck, der auf den Ärzten lastet, nehmen:

 
„Das heißt, die Gesundheitspolitik müsste der Bevölkerung die Gründe erläutern, warum es zu einem höheren Kostendruck kommt. Es wird nicht einfach alles teurer, wie es den Anschein hat, sondern hängt an der demographischen Entwicklung. Die Menschen werden älter, was ja etwas Gutes ist. Aber damit steigt auch die Summe der im Laufe eines Lebens anfallenden Behandlungskosten. Und das Zweite sind die ansteigenden Kosten im Bereich der Arzneimittelforschung. Hier setzten ja auch Einsparungsmaßnahmen an, die verlangen, dass die Versicherungsgemeinschaft nur dann die Kosten für ein neues Medikament übernimmt, wenn dessen medizinischen Zusatznutzen klar erwiesen ist.“

(11.02.2010 vp)








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