Das Christentum in Europa ist nach Einschätzung von Kardinal Christoph Schönborn derzeit
in einer paradoxen Situation: Einerseits rangieren die Kirchen „unter ferner liefen“
– andererseits seien sie auch keineswegs ein „Auslaufmodell“ in einem Europa, in dem
„Sinn“ knapp wird. Das meinte der Wiener Erzbischof jetzt bei einem Vortrag in Hamburg.
Die Christen hätten das ihrer Religion eigene „Ferment der Freiheit“ gegenüber den
Ansprüchen von „mainstream“, „political correctness“ oder dem „Zwang der Mode“ einzubringen.
Im Tiefsten sehne sich Europa nach einem authentischen Christentum, so der Kardinal.
Ähnlich wie in seinen Anfängen befinde sich das Christentum heute in einer religiös
und kulturell pluralen, weitgehend „heidnischen“ Welt, in der Astrologie, Abtreibung,
Aberglaube und Ängste vorherrschten, so Schönborn weiter. Dennoch gebe es in Europa
zunehmend „Heimkehrer“: Menschen, die aus einer völlig säkularen Lebensweise heraus
den Weg zu einem bewussten Glauben fänden. Der Kontinent brauche den „prophetischen
Einspruch des Evangeliums als heilsame Unruhestiftung“. Ebenso brauche aber auch das
Christentum die kritische Rückfrage des säkularen Europa, weil sie unerbittlich die
Frage nach seiner Glaubwürdigkeit stelle, so der Kardinal.