Der Vatikan sieht sich beim ökumenischen Dialog mit der orthodoxen Kirche jetzt einer
neuen Generation von Patriarchen gegenüber. Darauf macht die französische katholische
Tageszeitung „La Croix“ in einer Analyse aufmerksam. Die neuen Köpfe auf orthodoxer
Seite stünden für einen verstärkten Dialog mit der katholischen Kirche.
Vor
einem Jahr trat Kyrill als neuer orthodoxer Patriarch von Moskau an – der frühere
„Außenminister“ seiner Kirche hat glänzende Kontakte zu anderen Kirchen. Daniel war
zu diesem Zeitpunkt schon Patriarch in Rumänien, und erst kürzlich wurde Irinej neuer
orthodoxer Patriarch in Serbien. Die neuen Kirchenchefs seien Vertreter einer orthodoxen
Kirche, die seit dem Ende des Kalten Kriegs immer stärker werde: In den letzten zwanzig
Jahren hat sich etwa in Russland die Zahl orthodoxer Pfarreien vervierfacht, die Zahl
der Klöster stieg gar um mehr als das Vierzigfache. Mit der Eröffnung eines russisch-orthodoxen
Priesterseminars im November habe Kyrill I. von Moskau schon ein erstes ökumenisches
Signal gegeben. Gleichzeitig bemüht sich der russische Patriarch um Versöhnung mit
dem orthodoxen Ehrenoberhaupt Bartholomaios I. – unter ihnen ist vor allem die Zugehörigkeit
der Orthodoxen in der Ukraine umstritten. Seit Oktober bemüht sich eine gemeinsame
Arbeitsgruppe, den Konflikt zu lösen.
Auch beim rumänischen Patriarchat macht
„La Croix“ den Willen zum Gespräch mit anderen Kirchen und mit der modernen Welt aus;
in Serbien wurde kürzlich die Wahl des neuen Patriarchen von vielen ermutigenden Signalen
begleitet, etwa der Überlegung, den Papst zu einem Besuch einzuladen. Einige erwarten
sich vom neuen serbischen Patriarchen aber noch eine konkrete Geste der Versöhnung
mit Moslems und Katholiken auf dem Balkan, um einen Schlussstrich unter die verheerenden
Jugoslawien-Kriege zu setzen.
Für Griechenland notiert die „La Croix“-Analyse,
dass der neue Erzbischof von Athen Hieronymos sich deutlich weniger in die Politik
einmischt als sein Vorgänger Christodoulos. Er konzentriere sich auf das soziale Engagement
der Kirche. Um angesichts des drohenden Staatsbankrotts ein Zeichen zu setzen, hat
Hieronymos akzeptiert, dass die Kirche künftig dreimal mehr Steuern zahlen muss als
bisher.
Die Öffnung der orthodoxen Kirchen gen Westen und hin zum ökumenischen
Gespräch ist auch auf dem Hintergrund zu lesen, dass sich in den Staaten des Westens
selbst immer stärker eine eigene orthodoxe Kirche herausbildet. Ihre Mitglieder, oft
Gastarbeiter oder Emigranten, fühlen sich in der Regel weiter stark mit ihrer Ursprungskirche
verbunden, haben aber gleichzeitig gute Kontakte mit den Christen anderer Konfessionen
in ihrem Umfeld.