Edith Stein steht
wie keine Zweite im 20. Jahrhundert für ein kompromissloses Glaubenszeugnis. Nun bekommt
die Karmelitin, die als gebürtige Jüdin in Auschwitz den Tod gefunden hat, ein eigenes
Archiv. An diesem Sonntag wurde es in Köln eröffnet. Der Neubau enthält ein Magazin
mit 25.000 Handschriften der Heiligen, einen Lesesaal zu Forschungszwecken und ein
kleines Museum mit Informationen über Leben und Werk der Heiligen. Die „große Weite
des Geistes“, die in Steins philosophischem Werk und persönlichen Werdegang auszumachen
sei, machten die mutige Zeitzeugin für viele Menschen so anziehend. Das meint die
Leiterin des Stein-Archivs, Karmelitenschwester Antonia Sondermann, im Gespräch mit
dem Kölner Domradio: „Sie hat versucht, die mittelalterliche Philosophie
mit der modernen Denkweise zu verbinden und an dieser Stelle zu vermitteln versucht.
Ihre Hauptfrage war: Was ist der Mensch? Ihr ging es aber auch vor allem darum, nach
dem Geheimnis des Menschen zu fragen und dann eben zu schauen, was der Mensch in Bezug
auf Gott ist. Und da gibt es zahlreiche Gedichte, Gebete und geistige Schriften, die
noch mehr Zeugnis ablegen über ihren geistlichen Weg als über ihre Forschung.“ Der
Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp wies bei der Archiveröffnung darauf hin,
dass Edith Stein kein Grab habe. Vor diesem Hintergrund werde das Archiv auch zur
„Gedenkstätte an ihre konkrete irdische Existenz“. Das Archiv gebe Zeugnis vom geistlichen
Erbe des Karmels, ermögliche intellektuellen Austausch und wissenschaftliche Kommunikation.
Geistesgeschichtlich steht Edith Stein in der Nachfolge von Edmund Husserl. Ihr christliches
Gedankengut hat sie aber nicht nur in ihrem umfangreichen Schriftwerk belegt, meint
Schwester Antonia, sondern vor allem auch mit ihrem Leben – bis zu ihrem Tod unter
den Nationalsozialisten: „Edith Stein war natürlich ein Mensch,
der ganz aus dem Gebet und der lebendigen Beziehung zu Gott heraus gelebt hat. Und
sie hat sehr bald gewusst, dass der Weg der Hingabe, der ja der Weg jedes Ordenschristen
und eigentlich jedes Christen ist, ihr Weg ist und sie in den Tod führen wird. Sie
wusste natürlich nicht, dass es in Auschwitz sein würde. Aber dass dieses Opfer ihres
Lebens wahrscheinlich von ihr gefordert wird, das war ihr sehr stark bewusst.“ Die
1891 in Breslau als Kind jüdischer Eltern geborene Stein konvertierte 1922 zur katholischen
Kirche und trat zwölf Jahre später in den Orden der Karmeliterinnen ein. Bis zu ihrem
Berufsverbot 1933 arbeitete sie als Lehrerin und Dozentin. 1942 wurde die Ordensfrau
von der Gestapo verhaftet und in Auschwitz ermordet. Papst Johannes Paul II. sprach
sie 1987 selig, 1998 folgte die Heiligsprechung.