Also lautet der Beschluss,
dass der Mensch was lernen muss. Das wusste schon Wilhelm Busch. Wie das geschehen
soll, dazu berät der deutsche Wissenschaftsrat die Bundesregierung und die Regierungen
der Länder. Und dieser Wissenschaftsrat fällt nun kein sehr positives Urteil über
den Zustand der deutschen akademischen Theologie. Die Haltung der Theologie - der
katholischen wie der evangelischen - sei zu defensiv. Das sagt der Vorsitzende des
Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider, im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Wissenschaftsrat
fordere die Theolgie deswegen dazu auf, wesentlich offener für Kooperationen mit anderen
Disziplinen zu sein:
„Es geht vor allem darum, zu beschreiben,
dass sich die evangelischen und katholischen Theologien an den staatlichen Hochschulen
nicht hinter ihrer starken rechtsstaatlichen Position, die ihnen in der Bundesrepublik
verfassungsgemäß zukommt, verstecken sollen. Vielmehr sollen sie sich an den Hochschulen
intensiv in das Gespräch mit anderen Geisteswissenschaften und normativen Wissenschaften
bringen. Sie sollen sich mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen überhaut besser
vernetzen, wie das im wissenschaftlichen Diskurs heißt.“
Zwar
seien die Zahlen der Theologiestudenten im Allgemeinen wieder etwas gestiegen. Allerdings
studierten immer weniger von ihnen Theologie hauptamtlich – das bedeute weniger Priesteramtsanwärter
und mehr Lehramtsstudenten mit Fächerkombinationen. Strohschneider erklärt uns, was
das bedeutet:
„Die motivationale und strukturelle Veränderung
der Studierendennachfrage, da müssen die Theologien reagieren. Und das heißt vor allem,
dass die Instituten, die nicht an einer theologischen Fakultät untergebracht sind,
wie beispielsweise die Philosophie, stärker beachtet und eingebunden werden müssen.
Denn ihnen kommt auch ein beträchtlicher Anteil in der Ausbildung künftiger Religionslehrer
zu.“
Die Religionslehrerausbildung ist aber nicht nur
hinsichtlich der christlichen Theologie für den Wissenschaftsrat zum Thema geworden.
Aktuell plädiert der Rat auch für die Ausbildung von islamischen Religionslehrern
und Imamen an deutschen Hochschulen und hat damit großes öffentliches Interesse geweckt.
Strohschneider legt die Intention des Gremiums dar:
„Was
der Wissenschaftsrat dem Bund und den Ländern, aber auch den Universitäten, Kirchen
und Religionsgemeinschaften vorschlägt, ist ein Institutionalisierungsmodell, das
die Mitwirkung der muslimischen Gemeinschaften an der Ausgestaltung der Studiengänge
und an der Berufung des professoralen Personals beschreibt. Er hat sich vor allem
dafür ausgesprochen, eine islamische Theologie im Rahmen des staatlichen Hochschulsystems
in Deutschland zu entwickeln – gewissermaßen das, was für eine tragfähige Religionspädagogik
die intellektuelle Voraussetzung ist. Leitend ist dabei die Tradition des Verhältnisses
von Staat und Kirche in der Bundesrepublik, die eben auch anders ist als in Nachbarstaaten
der Bundesrepublik: Dass nämlich die rationale Selbstreflexion von Glaubenformen selbst
als Teil auch des staatlichen Wissenschaftssystems in Deutschland verstanden wird.
Und das ist auch richtig so, wie es der Wissenschaftsrat sieht. Auf der anderen Seite
denken wir, dass das ein Beitrag ist zur Integrationsdebatte in der Bundesrepublik.“
Bezogen
auf die Eigenzeiten des Wissenschaftssystems solle der Prozess schnell von Statten
gehen. In der Politik und bei christlichen und islamischen Religionsvertretern ist
der Vorschlag des Rates gleichermaßen auf Zustimmung gestoßen. Auch der Bundesvorsitzende
der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, begrüßt die Absichten:
„Da
geht es um Anerkennung, und es geht um Gleichberechtigung der Religionen in Deutschland.
Ich denke, es ist gut, wenn die Religionslehrer, die Imame und die Vorbeter in der
Bundesrepublik ausgebildet werden. Diese kennen dann das Umfeld besser als jene aus
den Herkunftsländern. Natürlich wird man über eine gewisse Zeit noch Imame aus den
Herkunftsländern brauchen – wir haben 2.500 Moscheen in der Bundesrepublik. Natürlich
wird man diesen Bedarf so schnell nicht decken können, aber wir hoffen, dass dann
an den Universitäten ausgebildete Imame die Aufgaben übernehmen können.“
Bei
der Umsetzung der Forderungen müsste der säkulare Islam als zeitgemäße Strömung besondere
Berücksichtigung finden, meint Kolat:
„Wir haben gesagt,
dass es um diese Religionsinstitute herum einen Beirat geben soll, in dem muslimische
Organisationen vertreten sind. In der türkischen Öffentlichkeit hängt eine überwältigende
Mehrheit einem offenen, liberalen Islam an. Diese Richtung, diese zeitgenössische
Kommentierung des Islam, gehört auch in dieses Gremium hinein. Diese Sichtweise muss
auch im Beirat berücksichtigt werden. Das heißt, der säkulare Islam muss sich auch
in den Personen, die eingestellt werden, wiederfinden.“
Das
könne auch dabei beitragen, Vorbehalten zu entgegnen, meint der Vorsitzende des Wissenschaftsrats:
„Der
unmittelbare Problemdruck in der Bundesrepublik ergibt sich einfach daraus, dass es
über vier Millionen Muslime deutscher und nichtdeutscher Staatsbürgerschaft gibt.
Diese Muslime haben über 700.000 Kinder, und diese haben nach unserer Verfassung einen
Anspruch auf bekenntnisgebundenen Religionsunterricht – so wie katholische, evangelische
und jüdische Kinder auch. Fragen der Religion sind immer Existenzfragen, und sie werden
dann als solche auch gesellschaftlich umkämpft. Fragen der Theologie sind nicht schon
identisch mit Fragen der Religion: Theologie verstehe ich als rationale Selbstauslegung
von Glaubensformen und als solche im Wissenschaftssystem gut aufgehoben und dort auch
erforderlich, wie wir zu beschreiben versucht haben.“