Die Schuldigen in
den Missbrauchsfällen an deutschen Ordensschulen sollen in den USA vor Gericht gestellt
werden. Das kündigen nun einzelne Anwälte an, die in möglichen Sammelklagen wohl das
große Geschäft wittern. Für den Aussöhnungsprozess sei das ganz und gar „kontraproduktiv“,
betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, gegenüber
Radio Vatikan. Der Täter-Opfer-Ausgleich habe in Deutschland, wo sich die Missbrauchsfälle
ereignet haben, zu geschehen – auch wenn Verhandlungen darüber in Amerika juristisch
möglich seien: „Eine Amerikanisierung des Verfahrens hat ja nur
finanzielle Gründe. Zumindest ist es für die Anwälte nicht von finanziellem Schaden,
wenn sie in die USA gehen. Ob es aber für eine sachliche Aufarbeitung dienlich ist,
da habe ich große Zweifel. Denn wenn das Verfahren ‚verjuristisiert‛ wird, dann wird
es der Kirche nicht mehr möglich sein, öffentlich Aussagen zu treffen. Und nach amerikanischem
Recht ist es auch den Betroffenen dann nicht mehr möglich, vorher Gespräche zu führen,
da sie ja ihre Rechtslage verschlechtern könnten. Diesen Streit vor amerikanischen
Gerichten aufzuarbeiten wäre ein riesiger Rückschritt. Viel wichtiger ist es jetzt
doch, sich mit allen Betroffenen an einen Tisch zu setzen. Natürlich muss auch über
finanzielle Ausgleichszahlungen gesprochen werden. Hier dürfen jetzt keine Fristen
vorgeschoben werden. Aber der Dialog ist für einen Täter-Opfer-Ausgleich immer besser,
als eine Veramerikanisierung des Verfahrens und eine reine Rechtsstreiterei.“ Die
hohe Zahl der Missbrauchsfälle verdeutliche, dass großes Unrecht geschehen ist, so
Ehrmann, einmal natürlich durch die Täter, die sich an den Opfern vergriffen haben,
aber auch durch die Institutionen, in denen über lange Jahre hinweg eine „Kultur des
Wegsehens geherrscht“ habe. Allerdings zeichne sich nun so etwas wie eine „veränderte
Umgangskultur“ ab: „Was neu ist, ist, dass der Schulleiter an die
Öffentlichkeit getreten ist und auch der Leiter des Ordens sich geäußert hat. Hier
wird erstmals die große Schuld der Täter und der Institutionen öffentlich bekannt.
Und das macht Mut! Und darin liegt vielleicht auch eine Chance dieser entsetzlichen
Vorfälle: Dass hier erstmals wirklich ein vernünftiger Täter-Opfer-Ausgleich stattfinden
kann, der einmal das Thema ‚Entschuldigen und Verzeihen‛, aber auch das Thema ‚Entschädigungszahlungen‛
beinhalten muss.“ (rv 05.02.2010 vp)