2010-02-04 12:01:40

Italien: Flüchtlinge mit Medikamenten ruhiggestellt?


RealAudioMP3 Die Lage in den italienischen Flüchtlingslagern ist besorgniserregend. Zu diesem Schluss kommt die italienische Sektion der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), die einundzwanzig dieser Lager untersucht hat. In mehreren dieser Einrichtungen werden die Insassen offenbar medikamentös ruhig gestellt – und das routinemäßig. Alessandra Tramontano von „Medici senza frontiere“ sagte im Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Rom:
„Wir haben festgestellt, dass immer wieder Psychopharmaka eingesetzt werden… Nicht im Falle einer Krankheit oder eines Problems, sondern auch um eventuelle Problemfälle einfach zu nivellieren oder zu beruhigen. Das haben wir in vielen Fällen beobachten können!“
Offizielle Zahlen liegen der Hilfsorganisation nicht vor. Die medizinische Versorgung stelle sich jedoch insgesamt als lückenhaft und oberflächlich dar, so Tramontano. In einigen der übervollen Lagern seien zum Beispiel Fälle von Krätze aufgetreten, die man eigentlich einfach hätte behandeln können. Besonders schlimm ist die Situation im römischen Abschiebelager. Der Vizechef von „Ärzte ohne Grenzen“ in Italien, Rolando Magnano:
„In Rom wurden seit zwei Wochen keine Hygieneartikel wie Toilettenpapier oder Seife ausgeteilt. Das haben uns Einwanderer in Anwesenheit des Lagerdirektors berichtet - und der konnte nur zugeben, dass die Vorwürfe stimmen. Ich erinnere daran, dass die Menschen in solchen Lagern bis zu einem halben Jahr festgehalten werden: In der überwiegenden Mehrzahl haben die Insassen den ganzen Tag nichts zu tun, die einzige Abwechslung sind die Mahlzeiten.“
In italienischen Lagern und auf Malta ist es wiederholt zu Unmut und Gewalt der Migranten gekommen. In einem Flüchtlingslager auf Malta gab es im März 2009 zwei Aufstände. Magnano bemerkte bei seinem Besuch im Auffanglager von Bari Brandspuren an den Mauern, die von einer Lagerrevolte herrührten. Der Vatikan und die italienische Bischofskonferenz rufen immer wieder drängend zu Solidarität und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Migranten auf. Da Italien und die Mittelmeerländer wegen ihrer geographischen Lage besonders betroffen sind, ist eine Lösung des Problems auf EU-Ebene erforderlich. Die EU-Länder konnten sich jedoch bisher auf keine verbindliche Solidaritätsklausel einigen, nach der Flüchtlinge gemäß einer Quote auf alle EU-Länder aufgeteilt werden könnten.
(ard/ansa/rv 04.02.2010 pr)







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