Reist Papst Benedikt
XVI. nächstes Jahr nach Vietnam? Schon die Frage ist heikel, schließlich sind die
Beziehungen Staat-Kirche in dem kommunistischen Land von einem ständigen Auf und Ab
gekennzeichnet. Zwar waren in den letzten Monaten Spitzenpolitiker aus Vietnam im
Vatikan zu Besuch, doch gibt es seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen
zwischen beiden Staaten. Zur Lage in Vietnam ein Beitrag von Mario Galgano.
Vietnams
Bischöfe hätten Papst Benedikt schon sehr gerne zu Besuch in ihrem Land – und zwar
im Januar 2011, wenn dort ein kirchliches Jubiläumsjahr zu Ende geht. Und doch haben
sie vor ein paar Monaten bei einem Besuch in Rom von einer formellen Einladung an
den Papst abgesehen: Zu kompliziert ist das Staat-Kirche-Verhältnis im Land, zu verwickelt
auch die innenpolitische Lage.
„Die Stimmung zwischen Kirche und Regierung
ist ziemlich angespannt“, berichtet ein aus Frankreich stammender Missonar am Mekong.
„Die Kirche entwickelt sich auf absolut außergewöhnliche Weise – die religiöse Praxis
wird immer stärker, und das Regime drosselt nicht mehr ganz so stark wie früher den
Ansturm auf die Priesterseminare. Aber die Regierung geht doch sehr aggressiv gegen
den Erzbischof von Hanoi vor, der sich unter Druck fühlt und um seinen Rücktritt aus
Gesundheitsgründen gebeten hat. Die Kirche Vietnams steht insgesamt doch ziemlich
unter Druck… schon seit langer Zeit, und sie würde sich ein bißchen mehr Öffnung wünschen.“
Doch
zur Öffnung sehen die Herren an der Macht gar keinen Anlaß, sagt Benoit de Tréglodé,
Vietnam-Experte vom Pariser „Zentrum für ostasiatische Studien“ (Irasec):
„Seit
seiner wirtschaftlichen Öffnung vor mittlerweile schon einem Vierteljahrhundert haben
die Verantwortlichen des Landes auch nicht einmal eine politische Öffnung ins Auge
gefasst. Es gibt keine Ankündigung in dieser Richtung, auch nicht eine einzige – was
wir heute sehen, ist also nicht überraschend. Schauen wir außerdem auf das Umfeld
Vietnams: Es ist von klassisch asiatischen, autoritären Regimes mit Einheitsparteien
umgeben.“
Mehr noch: Das Jahr 2010 wird für Vietnams Innenpolitik vorhersehbar
turbulent. Denn, so der Experte:
„Vietnam bereitet sich dieses Jahr auf
seinen elften Parteikongress vor, der Anfang 2011 stattfinden wird; traditionell ist
das Jahr vor einem solchen Kongress von Gewichtverschiebungen geprägt – dann gibt
es immer Kämpfe zwischen Interessengruppen und persönliche Rivalitäten. All das führt
zu Erschütterungen und Spannungen.“
In den letzten Wochen hat sich das
an einer Welle von Prozessen gegen Dutzende von (echten oder angeblichen) Regimegegnern
gezeigt: Dissidenten standen vor dem Kadi, unabhängige Blogger, Menschenrechtsaktivisten
– und auch Angehörige von religiösen Gruppen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen.
„Human Rights Watch“ spricht in diesem Januar von einem „immer härteren Klima der
Unterdrückung“ im Land. Erst vor ein paar Tagen wurden in Ho-Chi-Minh-Stadt Gefängnisstrafen
von bis zu sechzehn Jahren gegen einige Aktivisten verhängt. Und zwei Christen, denen
die Bildung eines „reaktionären Untergrundnetzes“ vorgeworfen wurde, schickte ein
Gia-Lai-Provinzgericht Mitte Januar für neun bzw. zwölf Jahre hinter Gitter. Ihr Vergehen:
Sie hatten nicht-angemeldete Hauskirchen besucht.
„Es gibt eine traditionelle
Spannung zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Ministerium für öffentliche
Sicherheit“, so Vietnam-Experte de Tréglodé. „An der Welle von Verhaftungen in den
letzten Wochen läßt sich deutlich eine wachsende Rivalität zwischen diesen beiden
Behörden ablesen. Hinzu kommen, zweitens, Rivalitäten zwischen einzelnen Regionen:
Dazu muss man wissen, dass es in Vietnam seit dem letzten Parteikongress von 2006
keinen Spitzenvertreter von Mittelvietnam unter den drei wichtigsten Staatsämtern
gibt. Früher waren der Präsident, der Premier und der Parteichef Vietnams – das sind
die drei wichtigsten Ämter – gleichzeitig auch Vertreter von Nord-, Mittel- und Südvietnam,
doch seit 2006 sind nur noch Norden und Süden an der Staatsspitze repräsentiert. Das
hat zu einem Ungleichgewicht geführt, das sich jetzt deutlich bemerkbar macht.“
In
seinem Menschenrechtsbericht von diesem Januar weist „Human Rights Watch“ darauf hin,
dass vor allem die Religionsfreiheit in Vietnam im letzten Jahr besonders drastisch
eingeschränkt worden ist. Das Regime gehe immer mehr gegen Religionsführer und ihre
Anhänger vor, wenn die für Bürgerrechte einträten, für Religionsfreiheit und für gerechte
Lösungen bei Landkonflikten. Das treffe auch Katholiken, etwa die Tausenden von Mitgliedern
einer Pfarrei in Quang Binh, die gegen die Konfiszierung von Kircheneigentum durch
die Behörden protestierten. Vietnam weitert sich, UNO-Menschenrechtsexperten ins Land
zu lassen, die u.a. Berichten über Verstöße gegen die Religionsfreiheit vor Ort nachgehen
wollen. Politische Öffnung in Vietnam – das sei „sowas wie ein Aktienindex, der immer
wieder steigt und fällt“, sinniert der „Economist“. Immerhin sei der zugrundeliegende
Trend doch „bescheiden aufwärtszeigend“...