2010-01-28 12:59:32

El Salvador: Dreißig Jahre nach dem Mord an Romero


RealAudioMP3 Die Bischöfe El Salvadors setzen sich für eine baldige Seligsprechung des 1980 ermordeten Erzbischofs Oscar Romero ein. Einem Bericht der Tageszeitung „El Economista“ zufolge schrieben sie an Papst Benedikt XVI. und baten um einen baldigen Abschluss des Verfahrens. „Es war eine wichtige Entscheidung der Bischöfe, einen Brief an den Heiligen Vater zu schicken, um die Interessen unserer Geistlichen auszudrücken“, zitiert das Blatt den Weihbischof von San Salvador, Gregorio Rosa Chavez. Am Wochenende hatte Hauptstadt-Erzbischof Jose Luis Escobar Alas angekündigt, die katholische Kirche werde zum 30. Jahrestag der Ermordung Romeros zahlreiche Gedenkveranstaltungen durchführen. Den Auftakt bildet demnach am 20. März ein Gedenkgottesdienst in der Kathedrale von San Salvador.
Stefan Kempis berichtet. -

Es sind Worte, die vor dreißig Jahren gesprochen worden, aber vielen Menschen gellen sie heute noch in den Ohren:

„Den Männern in den Kasernen und Polizeistationen sage ich: Wenn Sie gegen die Indios vorgehen, dann töten Sie Ihre eigenen Brüder! Kein Soldat muss dem Befehl, zu töten, gehorchen. Noch ist es Zeit, Ihr Gewissen wieder sprechen zu lassen... Die Kirche, Verteidigerin der Rechte und des Gesetzes Gottes und Verteidigerin der menschlichen Würde, kann nicht schweigen angesichts solcher abscheulicher Taten.“

Es ist der 23. März 1980 – der Erzbischof von San Salvador predigt in seiner Kathedrale. Sein Name: Oscar Arnulfo Romero. Seine Predigt: eine einzige Anklage gegen die Gewalt, die von Regierung und Militär ausgeht. Es ist seine letzte Predigt:

„Im Namen Gottes und im Namen dieses leidgeprüften Volkes, dessen Schrei jeden Tag lauter zum Himmel aufsteigt – ich flehe Sie an, ich bitte Sie, ich befehle Ihnen: Im Namen Gottes, Schluss mit der Unterdrückung!“

Einen Tag später ist Romero tot: niedergestreckt durch einen Schuß in die Brust, als er gerade – während der Messe in einer Klinik – den Kelch hochhebt. El Salvador gleitet in den Bürgerkrieg, zwölf Jahre lang. Beherrscht wird es in dieser Zeit und darüber hinaus von der rechten Arena-Partei, deren Gründer Roberto D`Aubuisson als intellektueller Urheber des Mords an Romero gilt. Sagt – viel später – die Wahrheitskommission, die die Schrecken des Bürgerkriegs aufarbeitet.

„In diesem Januar 2010 ist es schon achtzehn Jahre her, dass der Bürgerkrieg mit einem Friedensabkommen zu Ende ging – und immer noch erleben wir sehr viel Gewalt.“ Das sagt der Erzbischof von San Salvador, José Luis Escobar Alas. „Nur eine Zahl will ich nennen: 4.365 Morde insgesamt allein im vergangenen Jahr! Es stimmt schon, die Waffen schweigen offiziell – aber versöhnt sind wir untereinander noch nicht. Man spürt Polarisierung und Ressentiments.“

Aber El Salvador hat mittlerweile die Chance, zu einem inneren Gleichgewicht zu finden: Im März letzten Jahres nämlich bricht ein linker Kandidat die bisherige Vorherrschaft der Arena-Partei, Mauricio Funes wird Präsident. Schon bald nach seiner Wahl, im November, übernimmt er vor der Menschenrechtskommission der „Organisation Amerikanischer Staaten“ offiziell die Verantwortung des Staates für den Mord an Erzbischof Romero; damit gibt er grünes Licht dafür, dass der Fall juristisch verfolgt werden kann, dass Hintermänner und Täter vor den Richter kommen. Und Funes bittet vor kurzem im Namen des Staates die Opfer des Bürgerkrieges um Entschuldigung. Dazu der Oberhirte der Hauptstadt:

„Uns Bischöfen liegt die Einheit des salvadorianischen Volkes sehr am Herzen – und dazu braucht es dringend eine innere Versöhnung... Darum scheint uns Bischöfen die Initiative des Präsidenten sehr positiv."

Den Prozess in Sachen Romero sieht sein Nachfolger auf dem Bischofsstuhl allerdings mit gemischten Gefühlen – schließlich ist der Ermordete in all den Jahren längst zu einer Art Ikone der Linken geworden, Seite an Seite mit Che Guevara.

„Naja – ich würde sagen: Wir hoffen das Beste. Wir als Kirche bitten vor allem darum, dass die Figur von Erzbischof Romero respektiert wird und dass man sie nicht in Parteienstreit oder irgendwelche Manipulationen hineinzieht. Man sollte ihn sich weder an die Fahnen heften noch ihn als Feind attackieren – das ist nicht gerecht. Und weil unsere Gesellschaft leider im Moment noch sehr polarisiert ist, sehen wir manchmal solche Einstellungen. Um das zu präzisieren: Ich meine damit nicht die Position der Regierung – sie hat eine Geste des guten Willens gesetzt und wird damit zum guten Ruf, zur guten Erinnerung und zur Gerechtigkeit selbst beitragen.“

Aber die Kirche von El Salvador will Romero entpolitisieren, das macht Erzbischof Escobar ganz deutlich:

„Wir wollen mit dem Evangelium argumentieren: Ausgehend von Versöhnung und Vergeben glauben wir, dass das Thema Erzbischof Romero vor allem von einem kirchlichen und spirituellen Standpunkt aus angegangen werden muss. Mehr private Verehrung – und weniger soziale oder politische Vereinnahmung!“

Der kommende März wird der Lackmustest für diese Strategie – dann wird nämlich der dreißigste Jahrestag des tödlichen Schusses auf Romero begangen. Auf ihrer Vollversammlung haben die Bischöfe in den letzten Tagen eingehend darüber beraten, wie sie dieses heikle Datum würdig begehen können. „Santo Subito“ – das wird für den Ermordeten am dreißigsten Jahrestag nicht gelten, die Kanonisierungsmühlen mahlen im Fall Romero besonders langsam.

„Das Verfahren zu einer Seligsprechung ist auf unserer Bistumsebene schon seit einiger Zeit abgeschlossen – jetzt wird es in der vatikanischen Heiligenkongregation weitergeführt. Wir haben, so gut es ging, diese Vorstellung von Erzbischof Romero als eminente kirchliche Figur und als Diener Gottes betont. In diesem Stil haben wir bislang jeden Jahrestag begangen. Jetzt, angesichts des dreißigsten Jahrestages, planen wir natürlich Feiern in größerem Stil: Daher haben wir für den genauen Todestag – den 24. März – den emeritierten Kardinal von Washington, Theodore McCarrick, eingeladen, uns zu besuchen und eine große Gedenkmesse zu feiern. Am Samstag zuvor wird es eine weitere, große Feier geben – zu ihr haben wir den Kardinal von Guatemala eingeladen, Rodolfo Quezada Toruño. Das ist bisher der Stand unserer Planungen – es wird sicher noch einiges andere dazukommen.“

Eher nicht dazukommen wird bis März die Eröffnung eines Prozesses gegen die Mörder Romeros. Denn auf dem Weg dahin gibt es noch mehrere Stolpersteine – etwa ein Amnestiegesetz von 1993 für alle während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen. Dieses Gesetz kann die Regierung nicht außer Kraft setzen, nur das Parlament könnte das. Einfacher sind bis März andere Empfehlungen umzusetzen, die die Organisation Amerikanischer Staaten der Regierung in San Salvador gegeben hat: nämlich die, einen Platz nach Romero zu benennen. Und ein Video über ihn herauszugeben. Darin dürfte dann auch diese historische Aufnahme von Romeros letzter Predigt nicht fehlen:

„Im Namen Gottes und im Namen dieses leidgeprüften Volkes, dessen Schrei jeden Tag lauter zum Himmel aufsteigt – ich flehe Sie an, ich bitte Sie, ich befehle Ihnen: Im Namen Gottes, Schluss mit der Unterdrückung!“

(rv 28.01.2010 sk)







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