El Salvador: Dreißig Jahre nach dem Mord an Romero
Die Bischöfe
El Salvadors setzen sich für eine baldige Seligsprechung des 1980 ermordeten Erzbischofs
Oscar Romero ein. Einem Bericht der Tageszeitung „El Economista“ zufolge schrieben
sie an Papst Benedikt XVI. und baten um einen baldigen Abschluss des Verfahrens. „Es
war eine wichtige Entscheidung der Bischöfe, einen Brief an den Heiligen Vater zu
schicken, um die Interessen unserer Geistlichen auszudrücken“, zitiert das Blatt den
Weihbischof von San Salvador, Gregorio Rosa Chavez. Am Wochenende hatte Hauptstadt-Erzbischof
Jose Luis Escobar Alas angekündigt, die katholische Kirche werde zum 30. Jahrestag
der Ermordung Romeros zahlreiche Gedenkveranstaltungen durchführen. Den Auftakt bildet
demnach am 20. März ein Gedenkgottesdienst in der Kathedrale von San Salvador. Stefan
Kempis berichtet. -
Es sind Worte, die vor dreißig Jahren gesprochen worden,
aber vielen Menschen gellen sie heute noch in den Ohren:
„Den Männern in den
Kasernen und Polizeistationen sage ich: Wenn Sie gegen die Indios vorgehen, dann töten
Sie Ihre eigenen Brüder! Kein Soldat muss dem Befehl, zu töten, gehorchen. Noch ist
es Zeit, Ihr Gewissen wieder sprechen zu lassen... Die Kirche, Verteidigerin der Rechte
und des Gesetzes Gottes und Verteidigerin der menschlichen Würde, kann nicht schweigen
angesichts solcher abscheulicher Taten.“
Es ist der 23. März 1980 – der Erzbischof
von San Salvador predigt in seiner Kathedrale. Sein Name: Oscar Arnulfo Romero. Seine
Predigt: eine einzige Anklage gegen die Gewalt, die von Regierung und Militär ausgeht.
Es ist seine letzte Predigt:
„Im Namen Gottes und im Namen dieses leidgeprüften
Volkes, dessen Schrei jeden Tag lauter zum Himmel aufsteigt – ich flehe Sie an, ich
bitte Sie, ich befehle Ihnen: Im Namen Gottes, Schluss mit der Unterdrückung!“
Einen
Tag später ist Romero tot: niedergestreckt durch einen Schuß in die Brust, als er
gerade – während der Messe in einer Klinik – den Kelch hochhebt. El Salvador gleitet
in den Bürgerkrieg, zwölf Jahre lang. Beherrscht wird es in dieser Zeit und darüber
hinaus von der rechten Arena-Partei, deren Gründer Roberto D`Aubuisson als intellektueller
Urheber des Mords an Romero gilt. Sagt – viel später – die Wahrheitskommission, die
die Schrecken des Bürgerkriegs aufarbeitet.
„In diesem Januar 2010 ist es
schon achtzehn Jahre her, dass der Bürgerkrieg mit einem Friedensabkommen zu Ende
ging – und immer noch erleben wir sehr viel Gewalt.“ Das sagt der Erzbischof von San
Salvador, José Luis Escobar Alas. „Nur eine Zahl will ich nennen: 4.365 Morde insgesamt
allein im vergangenen Jahr! Es stimmt schon, die Waffen schweigen offiziell – aber
versöhnt sind wir untereinander noch nicht. Man spürt Polarisierung und Ressentiments.“
Aber
El Salvador hat mittlerweile die Chance, zu einem inneren Gleichgewicht zu finden:
Im März letzten Jahres nämlich bricht ein linker Kandidat die bisherige Vorherrschaft
der Arena-Partei, Mauricio Funes wird Präsident. Schon bald nach seiner Wahl, im November,
übernimmt er vor der Menschenrechtskommission der „Organisation Amerikanischer Staaten“
offiziell die Verantwortung des Staates für den Mord an Erzbischof Romero; damit gibt
er grünes Licht dafür, dass der Fall juristisch verfolgt werden kann, dass Hintermänner
und Täter vor den Richter kommen. Und Funes bittet vor kurzem im Namen des Staates
die Opfer des Bürgerkrieges um Entschuldigung. Dazu der Oberhirte der Hauptstadt:
„Uns
Bischöfen liegt die Einheit des salvadorianischen Volkes sehr am Herzen – und dazu
braucht es dringend eine innere Versöhnung... Darum scheint uns Bischöfen die Initiative
des Präsidenten sehr positiv."
Den Prozess in Sachen Romero sieht sein Nachfolger
auf dem Bischofsstuhl allerdings mit gemischten Gefühlen – schließlich ist der Ermordete
in all den Jahren längst zu einer Art Ikone der Linken geworden, Seite an Seite mit
Che Guevara.
„Naja – ich würde sagen: Wir hoffen das Beste. Wir als Kirche
bitten vor allem darum, dass die Figur von Erzbischof Romero respektiert wird und
dass man sie nicht in Parteienstreit oder irgendwelche Manipulationen hineinzieht.
Man sollte ihn sich weder an die Fahnen heften noch ihn als Feind attackieren – das
ist nicht gerecht. Und weil unsere Gesellschaft leider im Moment noch sehr polarisiert
ist, sehen wir manchmal solche Einstellungen. Um das zu präzisieren: Ich meine damit
nicht die Position der Regierung – sie hat eine Geste des guten Willens gesetzt und
wird damit zum guten Ruf, zur guten Erinnerung und zur Gerechtigkeit selbst beitragen.“
Aber
die Kirche von El Salvador will Romero entpolitisieren, das macht Erzbischof Escobar
ganz deutlich:
„Wir wollen mit dem Evangelium argumentieren: Ausgehend von
Versöhnung und Vergeben glauben wir, dass das Thema Erzbischof Romero vor allem von
einem kirchlichen und spirituellen Standpunkt aus angegangen werden muss. Mehr private
Verehrung – und weniger soziale oder politische Vereinnahmung!“
Der kommende
März wird der Lackmustest für diese Strategie – dann wird nämlich der dreißigste Jahrestag
des tödlichen Schusses auf Romero begangen. Auf ihrer Vollversammlung haben die Bischöfe
in den letzten Tagen eingehend darüber beraten, wie sie dieses heikle Datum würdig
begehen können. „Santo Subito“ – das wird für den Ermordeten am dreißigsten Jahrestag
nicht gelten, die Kanonisierungsmühlen mahlen im Fall Romero besonders langsam.
„Das
Verfahren zu einer Seligsprechung ist auf unserer Bistumsebene schon seit einiger
Zeit abgeschlossen – jetzt wird es in der vatikanischen Heiligenkongregation weitergeführt.
Wir haben, so gut es ging, diese Vorstellung von Erzbischof Romero als eminente kirchliche
Figur und als Diener Gottes betont. In diesem Stil haben wir bislang jeden Jahrestag
begangen. Jetzt, angesichts des dreißigsten Jahrestages, planen wir natürlich Feiern
in größerem Stil: Daher haben wir für den genauen Todestag – den 24. März – den emeritierten
Kardinal von Washington, Theodore McCarrick, eingeladen, uns zu besuchen und eine
große Gedenkmesse zu feiern. Am Samstag zuvor wird es eine weitere, große Feier geben
– zu ihr haben wir den Kardinal von Guatemala eingeladen, Rodolfo Quezada Toruño.
Das ist bisher der Stand unserer Planungen – es wird sicher noch einiges andere dazukommen.“
Eher
nicht dazukommen wird bis März die Eröffnung eines Prozesses gegen die Mörder Romeros.
Denn auf dem Weg dahin gibt es noch mehrere Stolpersteine – etwa ein Amnestiegesetz
von 1993 für alle während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen. Dieses Gesetz kann
die Regierung nicht außer Kraft setzen, nur das Parlament könnte das. Einfacher sind
bis März andere Empfehlungen umzusetzen, die die Organisation Amerikanischer Staaten
der Regierung in San Salvador gegeben hat: nämlich die, einen Platz nach Romero zu
benennen. Und ein Video über ihn herauszugeben. Darin dürfte dann auch diese historische
Aufnahme von Romeros letzter Predigt nicht fehlen:
„Im Namen Gottes und im
Namen dieses leidgeprüften Volkes, dessen Schrei jeden Tag lauter zum Himmel aufsteigt
– ich flehe Sie an, ich bitte Sie, ich befehle Ihnen: Im Namen Gottes, Schluss mit
der Unterdrückung!“