D/Vatikan: Auf den römischen Spuren Hamburger Katholiken
Über Bürokratie wird
selten ein gutes Wort verloren. Papiere, Ablagen, Aktenordner, lange Regale mit Berichten
und Heftern. Das gilt auch – und vielleicht besonders – für die Bürokratie des Vatikan.
Zwei Hobby-Forscher aus Hamburg finden dort aber genau das, was sie suchen. Pater
Bernd Hagenkord hat die beiden getroffen.
Christoph Flucke ist eigentlich Geschichts-
und Erdkundelehrer im Ruhestand, aber als Vorstand des Vereins für für katholische
Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig Holstein schon lange mit der Erforschung
des katholischen Lebens in der Freien und Hansestadt beschäftigt. Gemeinsam mit Hans-Werner
Schicke erkundet er hier in Rom, ob sich nicht Quellen für sein Thema finden lassen.
Hamburg als lutherische Stadt hat Katholiken nach der Reformation eigentlich nicht
zugelassen, es waren Kapläne vor allem an Handelsvertretungen oder Botschaften, etwa
des Kaisers oder anderer Städte, die Stück für Stück ab 1580 eine katholische Kirche
wieder ins Leben riefen. Die Geistlichen gehörten dem Jesuitenorden an, und hier kommt
die Bürokratie ins Spiel. Christoph Flucke:
„Die Jesuiten waren verpflichtet,
jedes Jahr an ihre Zentrale einen Bericht über ihre Tätigkeit in Latein zu schreiben.
Diese Berichte, die zum Teil nur noch in Rom erhalten sind, harren darauf, dass sie
ins Deutsche übersetzt werden - und wir haben keine oder nur selten andere Quellen
über die Geschichte der Katholiken in Hamburg .“
Römische Archive als wichtiger
Ort für die Geschichte Hamburgs. Für Uneingeweihte mögen diese römischen Archive etwas
Verschlossenes, Geheimnisvolles sein. Hans-Werner Schicke war hingegen überrascht,
wie hilfreich die Archive für ihre Arbeit waren. „Es ist also so:
Da kommen zwei Unbekannte aus Hamburg, klopfen an die Tür, es wird einem aufgetan,
man geht durch mehrere Sicherheitsschleusen über enge Gänge und ist mitten im Archiv.
Es ist für einen, der noch nie im Archiv gearbeitet hat, erfrischend zu sehen, dass
es sich keinesfalls um verstaubte langweilige Dinge handelt, sondern dass einem dann
die Tage, die Jahre, das Leben der Leute vor 300 Jahren sehr anschaulich vor Augen
stehen.“
Reichlich Material für die Forschungsreise nach Rom. Aber vor
der Erkenntniss musste erst einmal das Material gesichtet werden. Noch einmal Hans-Werner
Schicke:
„Wir haben etwa 20 große Folianten Seite für Seite durchgeblättert,
es handelt sich dabei um etwa 5.000 bis 6.000 Seiten, allesamt natürlich in Latein
verfasst, lebensechte Beschreibungen auch von Einzelheiten. Es wird, ganz drastisch
gesagt, auch von Begleitungen zu Hinrichtungen berichtet, so dass also ein sehr weites
Spektrum über das Leben der damaligen Bevölkerung aus diesen Berichten zu entnehmen
ist.“
Es geht um Taufen und Hochzeiten, um Abfall vom Glauben und um die
Wiederaufnahme in die Kirche, es geht um Erfolge und um Scheitern, alles in den Aktenordnern
im Jesuitenarchiv in Rom. Christoph Flucke:
„Diese Geschichten geben gut
Auskunft über die Mentalität der Menschen damals, sei es der Katholiken, sei es der
Lutheraner, was ja in Hamburg die Staatskirche war. Das sind für uns eigentlich die
Forschungen, die wir herausbringen wollen: Wie haben die Menschen damals gedacht?
Das findet man in den Akten und besonders in den Aktenbeständen Roms.“