2010-01-25 13:12:39

D: „Heil kannte ich nur aus der Kirche" – Prälat Scheipers überlebte das KZ


RealAudioMP3 „Weil man die Heiligkeit Gottes nicht mehr anerkannte, wurde auch die Heiligkeit menschlichen Lebens mit Füßen getreten.“ Diese Worte sagte Papst Benedikt im August 2005 bei seinem Besuch in der Kölner Synagoge. Am kommenden Mittwoch, dem 27. Januar, wird weltweit erneut an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert - beim UNO-Gedenktag für die Opfer des Holocaust. Dass diesem Regime Menschen auch wegen ihres Glaubens zum Opfer fielen, wissen heute nur wenige. Der römisch-katholische Priester Hermann Scheipers war aus diesem Grund im Konzentrationslager Dachau interniert. Er überlebte die NS-Zeit und die SED-Diktatur in der ehemaligen DDR. Im Gespräch mit Radio Vatikan blickt er zurück. Scheipers:

Das waren zwei Diktaturen, die unvereinbar waren mit dem christlichen Glauben. Sie haben es beide verstanden zu täuschen. Hitler war Meister im Taktieren und Täuschen, zeigte sich nach außen hin als gottgläubig. Das Hauptziel war aber die Ausrottung des Glaubens überhaupt. 1934 hat Hitler bereits bei Tischgesprächen gesagt: Man ist entweder ein Christ oder ein Deutscher. Ebenso dann später die Kommunisten in der SED-Diktatur. Sie haben zum Atheismus und Kommunismus erzogen. Im Endziel waren beide Diktaturen gleich! Es fiel mir als Schüler schon auf, dass es unter den vielen Parteien in der Weimarer Zeit nur zwei gab, die das Heil versprachen: Heil Hitler und die Kommunisten mit geballter Faust Heil Moskau. Das Wort Heil hatte ich bisher nur in der Kirche gehört.“

Als „fanatischer Verfechter der Kirche“ trage Scheipers „Unruhe in die Bevölkerung“, so das Todesurteil der Nationalsozialisten für den standhaften Seelsorger. Im KZ Dachau war Scheipers mit evangelischen und katholischen Geistlichen, darunter dem Dresdner Märtyrer Paul Richter, im so genannten „Priesterblock“ untergebracht. Diese Unterbringung hatte die katholische Kirche in Verhandlungen mit den Nationalsozialisten für die Pfarrer in Dachau bewirkt.

„Durch die Verhandlungen mit Bischof Wienken durften alle Priester und Geistliche verschiedener Konfessionen aus verschiedenen Gefängnissen in den Priesterblock nach Dachau. Das war eine große Erleichterung. Es gab sogar eine Kapelle, das hat uns sehr geholfen.“

In dieser Kapelle feierten die Priester die wohl erste und einzige Priesterweihe im KZ – die des jungen und sterbenskranken Diakons Karl Leisner am dritten Adventssonntag 1944. Heimlich und unter lebensgefährlichem Einsatz wurden nicht nur ein internierter Bischof für die Zeremonie gewonnen, sondern auch die nötigen Utensilien und Genehmigungen organisiert. Für Scheipers, der kurz vor dem Abtransport in die Gaskammer stand, war die Begegnung mit Leisner ein Hoffnungszeichen.

„Karl Leisner war auch damals für mich fast prophetisch. Er war auf dem Krankenrevier und ich im Invalidenblock. Er sah mich und sagte mir: Denk an die drei Jünglinge im Feuerofen im Buch Daniel. Gott schickt einen Engel und rettet sie. Genauso wie Gott diese drei gerettet hat, so kann er auch dir einen Engel schicken. Ja und der Engel – das war dann meine Schwester!“ 
Acht Mal schwebte Hermann Scheipers in Dachau in Lebensgefahr, doch überlebte „wie ein Wunder“ und - dank seiner Schwester. Anna Scheipers, durch Briefe über das Schicksal ihres Bruders informiert, sprach bei der Berliner Gestapo vor. Sie behauptete wagemutig, das ganze Münsterland ginge wegen der KZ-Priester auf die Barrikaden. Vermutlich lagen den Nationalsozialisten noch die unbequemen Predigten des Bischofs von Galen im Ohr, der gegen die Tötung „unwerten Lebens“ wetterte. Sie wollten keinen Aufstand. Und so ließen sie Scheipers und andere Dachauer Priester tatsächlich am Leben. Auf einem Todesmarsch am 27. April 1945, zwei Tage vor der Befreiung Dachaus durch amerikanische Streitkräfte, gelang Scheipers dann endgültig die Flucht. Über seine schlimmen Erlebnisse konnte der Geistliche 20 Jahre lang nicht sprechen.

„Da saß der Schock noch zu tief. Und außerdem hatte ich keine Zeit. Ich kam ja dann 1946 schon wieder zurück in die Sowjetzone, zum Ärger meiner Eltern, die sagten: Fünf Jahre haben wir um dich Angst gehabt, jetzt gehst du zu den Russen. Da musste ich laufend tätig sein für die Heimatvertriebenen in Hubertusburg, die kamen aus Schlesien, Böhmen, Sudetendeutschland, Ostpreußen, später auch Ungarn. Ich war ein Sonderfall in dieser zweiten Diktatur. Ich war ein Opfer des Faschismus, wie sie das nannten.“

Und zum „Opfer“ wurde der Priester auch fast in der SED-Diktatur. In der atheistischen DDR deckte Scheipers in seinen Predigten die „faschistischen Züge“ dieses angeblich so „antifaschistischen Staates“ auf. Er unterstützte den Bau von Kirchen und sozialen Einrichtungen, engagierte sich in der Jugendarbeit. Und geriet damit ins Visier der Staatsmacht. Vier Jahre lang wurden 15 Stasi-Spitzel auf ihn angesetzt, mit dem Ziel, ihn wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilen zu können. Der Glaube – auch hier wurde er zum Widerstand gegen das totalitäre Regime.
„Ich hatte immer die Idee: Je mehr du die Jugend und die Gemeinde im Glauben befestigst, desto mehr werden die immun gegen das Gift des Nationalsozialismus. Das war also meine Aufgabe. Und es war in der DDR dieselbe Aufgabe. Die Kirche hat ja nicht die Aufgabe, politisch gegen irgendein Regime zu kämpfen, aber sie muss den Glauben verkündigen – gelegen oder ungelegen.“

Aus taktischen, kirchenpolitischen Erwägungen kam der SED-Prozess gegen Scheipers letztlich nicht zustande. Wieder einmal hatte er „wie ein Wunder“ überlebt. Im Brennglas seines Lebens zwischen zwei Diktaturen, dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus, zieht der heute 96-jährige „Ideologieexperte“ folgende Bilanz:

„Den ersten Diaktaturen, die ich als Schüler kennengelernt habe - Mussolini in Italien, Franco in Spanien -, war es völlig egal, ob einer in die Kirche ging oder nicht, ob einer Jude war oder nicht. Die wollten nur die äußere Macht: Finanzen und die Arbeitskraft des Volkes. Die beiden Diktaturen Kommunismus und Nationalsozialismus wollten mehr als die äußere Macht, sie wollten den ganzen Menschen, seine Seele, dass man an sie glaubt. Sie haben das von uns verlangt, was nur Gott verlangen kann: Den Glauben an ihre Ideologie und totale Hingabe."

Totale Hingabe an Gott, davon erzählt Scheipers Leben. Von der vitalen Kraft eines Menschen, der noch im Schlimmsten - so sagt er selbst - die „Geborgenheit Gottes“ zu fühlen verstand.


(rv 25.01.2010 pr)







All the contents on this site are copyrighted ©.