Eritrea: Kirche in schwieriger Mission (Quelle: Missio.de)
„Wir alle wollen wieder zurück. Es ist ein wunderbares, ein gläubiges und – ein leidendes
Volk.“ Mehr wollten die 14 katholischen Missionare aus Europa und Asien, Afrika und
Amerika kurz nach ihrer Ausweisung aus Eritrea nicht sagen. Denn jedes Wort zuviel
könnte das kommunistisch orientierte Regime im jüngsten Staat Afrikas veranlassen,
die Arbeit der Kirche noch mehr zu behindern – und dadurch die unterdrückte Bevölkerung
des „Armenhauses“ nördlich des Horns von Afrika in noch größere Hoffnungslosigkeit
stürzen. Mit ihren Einschüchterungsmaßnahmen zielt die eritreische Regierung darauf
ab, „die Handlungsmöglichkeiten der Kirche weiter einzuschränken, sie zu lähmen, zu
isolieren und zu enteignen“, wie ein Beobachter die Strategie bewertet. Doch obwohl
nur eine religiöse Minderheit, stellt sich die katholische Kirche seit der Gründung
des Staates behutsam und beharrlich dem Zugriff des totalitären Regierungsapparates
entgegen. Die Bischöfe der drei Diözesen, die dem äthiopisch-orthodoxen Ge’ez-Ritus
folgen, protestierten 1995 bereits gegen die „Proklamation“ über die „Religiösen Gemeinschaften
und ihre sozialen Aktivitäten in Eritrea“, mit der die Regierung ihr System der absoluten
Kontrolle auch auf die Kirchen ausweiten wollte. Die „Proklamation“ war „eine formale
Verletzung der Rechte, die jedem eritreischen Bürger nach der Unabhängigkeit des Landes
zustehen und für die alle einen hohen Preis bezahlt haben“, wie der katholische Bischof
Menghesteab Tesfamariam, Eparch von Asmara, erklärt. Unter dem Titel „God Loves
This Country“ („Gott liebt dieses Land“) veröffentlichten die Bischöfe 2001 einen
Pastoralbrief. Darin würdigen sie die Aufbauleistungen in ihrem jungen Staat. Zugleich
fordern sie den Aufbau einer gerechten und pluralen Gesellschaft, in der die Bürger-
und Menschenrechte sowie die Würde der menschlichen Person geschützt, eine ganzheitliche
Entwicklung ermöglicht, soziale Gerechtigkeit für jedermann und rechtsstaatliche Grundlagen
geschaffen werden. Doch heute gehört der Machtapparat von Präsident und Regierungschef
Isaias Afewerki, der Eritrea seit 1993 regiert, mehr denn je zu den weltweit führenden
Unterdrückern grundlegender Menschenrechte, wie etwa dem der Religionsfreiheit. Von
der eritreischen Regierung werden nur der Islam, die orthodoxe Tewahedo-Kirche sowie
die lutherische und die katholische Kirche als Glaubensgemeinschaften offziell anerkannt.
Allen anderen Religionsgemeinschaften wurde bisher die staatliche Anerkennung verwehrt.
Ihre Versammlungshäuser werden geschlossen, Gottesdienste sogar in Privathäusern aufgelöst,
Gläubige ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Immer mehr gelang es Afrikas einzigem
Einparteienstaat, die Kontrolle auch über die seit dem vierten Jahrhundert in der
Region beheimatete orthodoxe Tewahedo-Kirche zu gewinnen, der dort die Mehrheit der
Christen angehört. Auf Druck der Regierung setzte sie 2005 sogar ihren regimekritischen
Patriarchen, Abune Antonios, ab. Er steht seit Januar 2006 isoliert von der Außenwelt
unter Hausarrest. Amnesty international (ai) betrachtet ihn als „politischen Häftling“. Regimekritikern
drohen Haft und Folter Meinungsfreiheit und eine vernehmbare politische Opposition
gibt es in Eritrea nicht. Wer sich gegen die Regierung äußert, kommt auf unbestimmte
Zeit in geheime Lager. ai berichtet von Tausenden von Angehörigen nichtregistrierter
Religionsgemeinschaften sowie Regierungsgegnern und Dissidenten in Isolationshaft
und Folter. In der Ende 2007 veröffentlichten „Weltrangliste der Pressefreiheit
“ der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) belegt das Land noch hinter Nordkorea
den letzten Platz. Kritische Journalisten verschwinden. Eritrea ist das einzige schwarzafrikanische
Land, in dem es keine freie Presse- und Medienlandschaft gibt. Selbst Texte kirchlicher
Mitteilungsblätter müssen vor der Veröffentlichung durch die staatliche Zensur. Die
Ausweitung des „Nationalen Dienstes“ (eine 1994 eingeführte sechsmonatige Militärzeit
mit Arbeitsdienst für alle 18- bis 40-Jährigen) auf unbestimmte Zeit im Zuge des jüngsten
Waffenganges mit Äthiopien (1998 bis 2000) ist für die Kirche zu einem Problem geworden.
Denn die damit einhergehende Militarisierung der Gesellschaft hat nicht nur verheerende
Folgen zum Beispiel für die Wirtschaft des Landes, sondern macht sich inzwischen auch
negativ in den Pfarrgemeinden bemerkbar, wo junge, gut ausgebildete Katechisten fehlen,
die nicht vom „Nationalen Dienst“ zurückkehren dürfen oder die sich diesem Dienst,
wie Tausende junger Leute, durch Untertauchen und Flucht ins Ausland entzogen haben. Die
Ausdehnung des „Nationalen Dienstes“ führte auch zu einer weiteren Einschränkung der
Bewegungs- und Reisefreiheit in Eritrea, von der auch jüngere kirchliche Mitarbeiter
betroffen sind, die zu Aufbaustudien sollen. Denn Auslandsreisen für Bürger unter
40 Jahren werden kaum noch genehmigt. Im Inland ist das Reisen stark eingeschränkt
durch ein System von Passierscheinkontrollen und durch nicht karthografierte Minenfelder
in verschiedenen Gebieten. Die Zahl der Minenopfer ist groß. Der verstärkten Drohung
der Regierung, auch Priester, Ordensleute und Seminaristen zum „Nationalen Dienst“
einzuziehen, halten die Bischöfe entgegen, dass die kirchlichen Mitarbeiter glaubwürdiger
ihren speziellen Dienst an der Gesellschaft als Seelsorger, Lehrer und Sozialarbeiter
leisten können. Die Kirche in Eritrea sieht sich, so Bischof Menghesteab Tesfamariam
von Asmara, am Vorabend des 15. Jahrestages der Staatsgründung in einer „prekären
Situation“. Es sei „schwierig auszuloten, welchen Ausgang die Entwicklungen nehmen
werden“. Umso mehr wünscht er sich, dass die Weltöffentlichkeit mehr Notiz nimmt
von den Zuständen im „Gefängnis Eritrea“. Und er hofft auf die solidarische Unterstützung
weltweit für sein wunderbares, sein gläubiges und – sein leidendes Volk.