2010-01-18 11:43:30

Fachmann zum Synagogenbesuch: „Ein wichtiges Zeichen“


RealAudioMP3 „Mögen die Wunden des Antisemitismus für immer heilen“. Mit diesen Worten erinnerte Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in der römischen Synagoge an die Judenverfolgung während der deutschen Besatzung. Zum Gedenken an die Holocaustopfer der jüdischen Gemeinde Roms legte das katholische Kirchenoberhaupt vor Betreten der Synagoge einen Kranz nieder. Während der Präsident der jüdischen Gemeinde in seiner Rede an die noch offenen Fragen bei der römischen Judenverfolgung erinnerte, betonte der Papst seinerseits auch den „verborgenen und diskreten“ Einsatz des Heiligen Stuhls für die Rettung vieler Juden. Auf die Polemik um Pius XII. ging der deutsche Papst nicht weiter ein – das war für einige seiner Zuhörer, darunter auch viele jüdische Holocaust-Überlebende, eine Enttäuschung. Das meint der Jesuitenpater Christian Rutishauser von der Päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom. Im Gespräch mit dem Kölner Domradio beschreibt er die Reaktionen der jüdischen Gemeinde.

„Da es von Papstseite in diesem Sinne keine Selbstkritik und keine Problematisierung der Situation gab, hat das doch sehr viele Leute enttäuscht. Heute morgen ist in verschiedenen Zeitungen immer wieder dieser Punkt herausgehoben worden, dass es gerade in der Angelegenheit Pius XII. wirklich erwartet worden wäre, dass ein Wort gesagt wurde – es geht nicht um eine große Entschuldigung, aber um eine Problematisierung. Gestern in der Synagoge war dies der einzige Augenblick während der ganzen Veranstaltung, bei dem einige Leute den Kopf schüttelten, als der Papst dies gesagt hat. Sonst bekam er Applaus für die ganze Rede, aber an dieser Stelle war eindeutig auch ein Unbehagen zu spüren bei den Anwesenden.“

Die Kritik von jüdischer Seite richtete sich vor allem auf die noch teilweise verschlossenen Archive zu Papst Pius XII. Auch hier hätten sich manche Juden von Benedikt klarere Worte versprochen. Rutishauser:

„Ich denke, das ist Benedikts Interpretation der Shoah: Dass sie eine große Verblendung der säkularen Gesellschaft war, bei der die katholische Kirche auch Opfer gewesen ist, so wie die Juden. Von daher hat sich Papst Pius XII. wohl sehr zurückgehalten. Das hat der Papst auch während der Rede gestern wieder verteidigt. Und da ist natürlich schade, dass er da nicht einfach sagt: Die Frage ist noch strittig, die Archive sind noch nicht alle zugänglich geworden für die ganze Gesellschaft. Und da hätte er sehr gut auch ein selbstkritisches Wort sagen können. Und das wäre auch sehr gut aufgenommen worden. Das ist ein schwieriger Punkt gewesen gestern während der Rede.“

Im interreligiösen Dialog zwischen katholischer Kirche und dem Judentum sei Benedikts Besuch in der römischen Synagoge aber ohne Zweifel ein „wichtiges Zeichen“, betont Rutishauser. Nach der „Pionierarbeit“ Johannes Pauls II. sei Benedikts Aufgabe, solide Dialogarbeit zu leisten. Rutishauser:

„Der Besuch an sich ist ganz, ganz wichtig, damit klar wird, dass das, was Johannes Paul II. begonnen hat, nicht nur das persönliche Anliegen dieses Papstes war. Sondern dass Benedikt das aufnimmt. Er hat in seiner Rede ja auch die Theologie seines Vorgängers bestätigt. Somit ist das ein ganz wichtiges Zeichen des Vatikans und der Päpste gegenüber dem jüdischen Volk. Johannes Paul II. hat Pionierarbeit geleistet, jetzt ist die Aufgabe von Benedikt, zu konsolidieren. Das hat er in großen Teilen getan, er hat aber auch nichts Neues gesagt im theologischen Bereich bei dieser historischen Frage von Pius XII. Das ist die aktuell strittige Frage – in diesem Punkt hat er sicher enttäuscht.“

(domradio/rv 18.01.2010 pr)







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