2010-01-17 17:31:18

Papst besucht Synagoge - der Bericht


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. hat die Synagoge von Rom besucht. An diesem Sonntagabend stellte er sich in dem jüdischen Gebetshaus am Tiberufer deutlich hinter die Dialog-Initiativen seiner Vorgänger. Als einen Höhepunkt für den jüdisch-katholischen Dialog bezeichnete er den Besuch von Johannes Paul II. in der römischen Synagoge 1986. Papst Benedikt selbst hatte seine Verbundenheit mit dem "Volk des Bundes" seit seinem Amtsbeginn immer wieder bekundet. Ausdrücklich verwies er auf seine Besuche im Heiligen Land sowie in den Synagogen von Köln und New York.
Sein Appell, den Weg der Aussöhnung und des Dialogs trotz aller Irritationen fortzusetzen, galt Christen und Juden gleichermaßen. „Es liegt an uns, in Antwort auf den Ruf Gottes dafür zu arbeiten, dass immer Raum für Dialog, für gegenseitigen Respekt, für wachsende Freundschaft und gemeinsames Zeugnis gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit bleibt“, so der Papst wörtlich. Die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils seien dafür „ein fester Bezugspunkt“, versicherte er. Die Neuorientierung der katholischen Kirche im Konzil sei unwiderruflich. Mit Nachdruck unterstrich er die Gemeinsamkeiten beider Religionen. Das ethische Grundgesetz der „Zehn Gebote“ eine Juden und Christen und mache die Besonderheit ihrer Beziehungen aus. Beide Religionen müssten sich daher miteinander für die Achtung und Bedeutung Gottes in einer Welt einsetzen, die das Übernatürliche oft für überflüssig halte und sich neue Götter schaffe. Der Dekalog verpflichte Juden und Christen außerdem zum Schutz der Familie und zur tatkräftigen Solidarität mit Armen, Kranken, Fremden, Frauen, Kindern, Schwachen und Bedürftigen.

Starke Sicherheitsvorkehrungen
Der Papstbesuch fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Vor dem Betreten der Synagoge legte Benedikt, der u.a. vom deutschen Kurienkardinal Walter Kasper begleitet wurde, im römischen Ghetto einen Kranz nieder für die Menschen, die von hier aus in die Nazi-Vernichtungslager abtransportiert wurden. Immer wieder kam es während des Papstbesuchs bei der ältesten jüdischen Gemeinde des Westens zu spontanem Beifall, zu Tränen und Emotionen. Beobachter sprachen schon im Vorfeld von einem „historischen Besuch“, der allerdings auch von Polemiken begleitet war. Auch öffentlich wurde der Papst in der Synagoge auf das jüdische Unbehagen angesprochen, das den Seligsprechungsprozess für Papst Pius XII. betrifft.

Pacifici forderte Archiv-Öffnung
Gemeinde-Präsident Riccardo Pacifici forderte eine Öffnung der Vatikan-Archive zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und äußerte Respekt auch denen gegenüber, die diesem Papstbesuch ferngeblieben waren. Das gilt etwa für den Präsidenten der Italienischen Rabbinerkonferenz, Giuseppe Laras. Pacifici wörtlich: „Das Schweigen von Pius XII. zur Shoah schmerzt auch heute als versäumte Tat. Vielleicht hätte er nicht die Todeszüge stoppen können, aber er hätte diesen unseren Brüdern, die zu den Schornsteinen von Auschwitz transportiert wurden, ein Signal, ein Wort der Bestärkung, der menschlichen Solidarität sagen sollen.“ Der Gemeinde-Präsident dankte aber auch den christlichen Konventen, die römische Juden vor den Nazis versteckt gehalten hätten, und begrüßte anwesende Ordensschwestern. Gemeinsam müssten Christen und Juden gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Vorurteile vorgehen. Pacifici betonte, dass es heute bestimmte Staaten gebe, die die Zerstörung des Staates Israel wollten, denen es um eine kulturelle und auch physische Auslöschung gehe. Es gelte daher, sich mit den moderaten Kräften des Islam, die den Koran als Buch der Brüderlichkeit verstünden und das Leben achteten, zu solidarisieren.

Di Segni verwies auf Frucht des Zweiten Vatikanums
Der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni wies darauf hin, dass der neuere Dialog mit dem Judentum eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils sei. Das Konzil dürfe nicht in Frage gestellt werden, meinte er mit einer deutlichen Anspielung auf die Piusbruderschaft. Allerdings hätten Juden und Christen trotz einer dramatischen Geschichte und Unverständnissen gemeinsame Visionen. Konkret nannte er den Einsatz für die Umwelt sowie das gemeinsame Engagement für Freiheit, Gerechtigkeit und die Menschenwürde als Betätigungsfeld. Als grundlegend und unverzichtbar für das Judentum bezeichnete Di Segni den Staat Israel, dessen Zusage sich auf die Bibel stütze. Es sei nicht nur das „Heilige Land“, sondern "das Land dessen, der heilig ist". Aus Jerusalem waren der Lateinische Patriarch Fouad Twal und Israels Vize-Regierungschef Silvan Shalom zum Synagogenbesuch des Papstes angereist.

Auch islamische Vertreter und Holocaust-Überlebende dabei
An dem Ereignis in der Synagoge nahmen aber auch islamische Gäste und viele Überlebende des Holocaust teil. Papst Benedikt hob in seiner Ansprache die Einzigartigkeit des Holocaust hervor. Die Shoah sei ein „einzigartiges Drama gewesen, ein Gipfelpunkt des Hasses“, so der Papst wörtlich. Die geplante Ausrottung des jüdischen Volkes durch die Nazis habe damals auf tragische Weise auch Rom erreicht. Jeder Antisemitismus sei scharf zu verurteilen. „Christen und Juden haben einen großen Teil ihres geistigen Erbes gemeinsam, sie beten zum gleichen Gott, haben dieselben Wurzeln und bleiben sich trotzdem gegenseitig fremd." Papst Benedikt entschuldigte sich für das Fehlverhalten von Christen gegenüber jüdischen Mitbürgern. „Leider blieben viele gleichgültig.“ Aber viele, darunter auch italienische Katholiken, hätten mutig reagiert und unter Einsatz des eigenen Lebens Juden versteckt und gerettet. Weiter lobte der Papst auch die Initiativen des Vatikans zur Judenrettung in Zeiten des Holocaust. „Auch der Heilige Stuhl entfaltete eine Hilfsaktion, oft im Verborgenen und diskret“, erinnerte der Papst. Auf die Polemik um Pius XII. ging der Papst aus Deutschland nicht ein. Wie sein Vorgänger Johannes Paul II., der 1986 als erster Papst der Neuzeit die römische Synagoge besucht hatte, schloss auch Benedikt seine Ansprache mit einem Psalm-Zitat in hebräischer Sprache.

(rv 17.01.2010 sk/vp)







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