Der Papst in der Synagoge: „Historisch - aber normal“
Der Besuch von Papst
Benedikt in der römischen Synagoge „ist ein historisches Ereignis, das beträchtliche
Emotionen aufrührt“. Das sagt der israelische Vize-Regierungschef Silvan Shalom, der
am Sonntag Abend an dem römischen Ereignis teilnimmt. Benedikts Visite sei „ein religiöses,
kein politisches Ereignis“, präzisiert der Politiker: „Es symbolisiert die Annäherung
zwischen Juden und Christen“. Bedeutsam sei, dass der Papstbesuch „in großer zeitlicher
Nähe zum internationalen Holocaust-Gedenktag stattfindet“.
Auch Israels Staatspräsident
Shimon Peres hat sich zum Synagogenbesuch Benedikts geäußert. Die Beziehung des Papstes
zum Judentum sei „tief und ehrlich“, so Peres in einem Fernsehinterview: „Wir stimmen
nicht in allen Fragen überein, etwa beim Seligsprechungsprozeß von Pius XII.; aber
in den jüdisch-katholischen Beziehungen verhält sich dieser Papst sehr respektvoll,
und ich vertraue ihm.“ Die israelische Presse betont in ihrer Berichterstattung die
Debatte innerhalb der römischen jüdischen Gemeinde angesichts des Besuchs von der
anderen Tiberseite. „Ha`aretz“ weist auf die Polemik gegen eine mögliche Seligsprechung
von Pius XII. hin; „Ma`ariv“ erwähnt, dass etwa 600 Journalisten aus aller Welt das
Ereignis mitverfolgen werden.
Der Präsident der italienischen Rabbinervereinigung,
Giuseppe Laras, hat seine Skepsis gegen den Papstbesuch in der Synagoge etwas abgeschwächt.
Laras hatte vor einigen Tagen in einem Interview erklärt, er werde an dem Ereignis
nicht teilnehmen, weil er damit rechne, dass es nur der Kirche etwas bringe. Jetzt
meinte er vor Journalisten, er hege zwar weiterhin „keine großen Erwartungen”: Aber
„ich hoffe, dass doch etwas Positives herauskommt, anders als es im Moment scheint”,
so der frühere Oberrabbiner von Mailand wörtlich.
Der Chefredakteur der Vatikanzeitung
„L`Osservatore Romano“ hat jetzt in einem Essay die Erwartungen des Vatikans an den
Papstbesuch in der Synagoge formuliert. Die Visite „bestätigt ein weiteres Mal die
Öffnung und Freundschaft der katholischen Kirche zum jüdischen Volk“, so Gianmaria
Vian. Der Besuch sei also „gewiß historisch, aber auch normal“.
Fortschritte
für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Israel erhofft sich der israelische
Franziskanerpater David Jaeger von dem Synagogenbesuch. Hier bestehe weiterer Klärungsbedarf.
Ansonsten gebe es zwischen Judentum und katholischer Kirche viele Gemeinsamkeiten
und Felder der Zusammenarbeit: Lebensschutz, Solidarität für die Nöte der Menschheit,
Einsatz für Gerechtigkeit und gegen Ausbeutung, Achtung der Menschenrechte. Die jüngsten
„Zwischenfälle“ seien „mehr medial als real“ gewesen, betonte Jäger gegenüber der
Zeitung „Il Giornale“ vom Sonntag. Gegen 16.30 Uhr wird der Papst am jüdischen
Gebetshaus am linken Tiberufer eintreffen. Nach einer Kranzniederlegung am Gedenkstein
für die Deportation von 1.021 Personen im Oktober 1943 durch die SS hält er in der
Synagoge eine programmatische Rede.