Haiti nach dem Beben: „Die Menschen beten und weinen“
Noch ist es zu früh,
die Schäden zu ermessen, die die Menschen in Haiti durch das Erdbeben vom Dienstag
erlitten haben. Die Bilder und Nachrichten sind herzzerreißend. Mit den Händen graben
die Menschen nach Verschütteten, die Zahl der Opfer könnte in die Zehntausende gehen,
augenblickliche Schätzungen sprechen von bis zu 30.000. Der Papst hat am Mittwoch
von Rom aus zu Hilfe für das ärmste Land der westlichen Hemisphäre aufgerufen; in
Port-au-Prince treffen die ersten Hilfsflüge ein. Stefan Kempis hat Eindrücke aus
Haiti gesammelt.
„Ich glaube nicht, dass Haiti jemals eine solche Katastrophe
erlebt hat.“ Das sagt Eli Lafortune vom Hilfsverband „US-aid“. „Ich war während des
Erdbebens im Zentrum von Port-au-Prince: überall Trümmer; Leute, die darunter eingequetscht
sind; viele Gebäude eingestürzt, sogar der National-Palast, Kirchen, Schulen... es
ist wirklich schrecklich! So viele tote Kinder – ich habe Furchtbares gesehen. Und
keiner konnte dem anderen helfen, alle stehen unter Schock, es ging alles so schnell...
wirklich unglaublich. Alle rannten um ihr Leben... ich fürchte, die genaue Zahl der
Opfer werden wir nie erfahren... Die Menschen hier beten überall und weinen. Es ist
wirklich eine Katastrophe!“
„Die Kirche ist in Haiti traditionell im sozialen
Bereich stark“, sagt der Priester Jean Patrick. „Aber jetzt ist sie selber mitbetroffen
und kann deswegen nicht voll die Hilfe leisten, die die Menschen brauchen. Pfarrhäuser
und Kirchen sind eingestürzt, die Kathedrale stand in Flammen, viele Caritas-Helfer
sind ums Leben gekommen...“
Michael Huhn von Adveniat: „Aber auch über den
Wiederaufbau hinaus ist die Rolle der Kirche jetzt ganz, ganz dringlich: Dass sie
den Menschen Trost spendet und auch einen Ort für die Klage gibt. Wie immer nach der
Katastrophe sind jetzt in Haiti die Kirchen und Kapellen voll; gestern gab es schon
Berichte, dass die Menschen einfach vor ihren Häusern kauern, beten und sich umeinander
scharen. Ich glaube, dass dieser Trost im Moment genauso wichtig ist wie der mittel-
und langfristige Wiederaufbau.“
„Haiti ist in gewisser Weise an Katastrophen
gewöhnt – wenn es keine Naturkatastrophen sind, dann politische“, sagt Pater Patrick.
„Aber die Leute auf Haiti haben die Mentalität, dass das Morgen doch irgendwie besser
sein wird. Sie glauben auf eine sehr christliche Weise, dass Gott mit ihnen ist und
mit ihnen geht, trotz allem...“