2010-01-12 11:34:04

Naher Osten: „Der Mauerkreis schließt sich“


RealAudioMP3 Bischöfe aus Nordamerika und Europa besuchen seit Samstag das Heilige Land: Bis Donnerstag führen sie Gespräche in Jerusalem, Betlehem oder Ramallah; am Schluß wollen sie eine gemeinsame Erklärung veröffentlichen.

„Sehen Sie – das ist ja keine Initiative von heute, sondern eine, die sich Jahr für Jahr wiederholt.“ Sagt der Päpstliche Nuntius Antonio Franco - und meint damit: Die Bischöfe aus dem Westen bleiben dran am Thema Heiliges Land, interessieren sich wirklich für das Schicksal der Menschen dort. Allerdings: Einen eigenen Friedensdialog für den Nahen Osten stellen sie nicht auf die Beine, ihre Ziele sind einfacher: „Als Christen sollten wir zunächst einmal mehr untereinander Dialog führen!“ Es ist der US-Bischof Gerald Kikanus, der das sagt. „Denn traurigerweise gibt es viele Spaltungen in der christlichen Kirche, und solange wir nicht einen gemeinsamen Sinn für Respekt und Richtung gewinnen, bleibt unser Zeugnis verwässert. Je mehr sich die Christen hier im Heiligen Land untereinander verständigen und respektieren, umso mehr können sie zum Gespräch mit Juden und Moslems wirklich beitragen!“

Die Bischöfe aus dem Westen versuchen also, stabile Kontakte zu den vielen christlichen Kirchen des Heiligen Lands aufzubauen – und dafür zu sorgen, dass die sich auch untereinander verständigen. Ansonsten haben die Westler mit ihrer Heilig-Land-Tour vor allem eine Botschaft ans heimische Publikum: „Die Tatsache, dass unter den Palästinensern auch viele Christen sind, ist im Westen doch kaum richtig bekannt“, erklärt der Belgier Paul Lansu von der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. „Einer der wichtigsten Gründe, warum Bischöfe aus Europa und Nordamerika ins Heilige Land fahren, ist es, ihre eigenen katholischen Gemeinschaften zu Hause über diese christlichen Palästinenser zu informieren – dass es sie gibt, dass sie eine sehr vielfältige Kirche darstellen und dass sie sozusagen zwischen Moslems und Juden ein schwieriges Leben haben.“

Alle Jahre wieder, wenn die Bischofsdelegation aus dem Westen ins Heilige Land kommt, steht dort wieder eine neue Mauer oder Sperranlage. Jetzt gerade kündigt Israel an, auch an seiner Grenze zu Ägypten im Sinai einen Wall hochzuziehen. „Wie der Heilige Vater hier sagte: Es ist tragisch, Mauern zu bauen, wenn man stattdessen Freundschaft schließen sollte“, so US-Bischof Kikanus. „Mich erinnert das ein bißchen an den Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko. Da wird in der Weihnachtszeit auf beiden Seiten des Zauns ein Fest namens „Posada“ gefeiert – die Herbergssuche von Josef und Maria. Und einer der schönen Momente dieses Festes ist dann, wenn wir nach Mexiko hineinziehen und dort zusammenfinden.“ - „Dieser Mauerkreis schließt sich“, bemerkt der Heilig-Land-Kustos, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa. „Israel ist mittlerweile de facto eine abgeschlossene Enklave. Aber man muß andererseits ehrlich anerkennen, dass durch die Mauer die Zahl der Attentate fast auf null gesunken ist.“ Für die Palästinenser allerdings sei der Wall ein Drama: „Die Mauer blockiert das Leben von Hunderttausenden von Palästinensern. Vor allem zwischen Jerusalem und Betlehem trennt die Mauer Kinder von der Schule, Kranke von den Krankenhäusern, Männer von ihren Arbeitsplätzen – das schafft schwerwiegende Probleme im Alltag.“

Nach Gaza, wo vor einem guten Jahr noch israelische Bomben niederprasselten, reisten die Bischöfe aus dem Westen nicht, unterhielten sich aber mit dem langjährigen Pfarrer der dortigen katholischen Gemeinde. Dazu Lansu von der katholischen Friedensbewegung: „Die Hauptfrage für Pax Christi ist: Sollen wir mit der Hamas reden? Sie steht auf der Terror-Liste der EU und der UNO, aber ich bin durch solche Gespräche mit Kirchenleuten aus Gaza zu der Überzeugung gekommen, dass man mit der Hamas reden muss...“ Das wäre dann eigentlich eine Aufgabe für den Päpstlichen Nuntius – aber Erzbischof Franco spricht derzeit vor allem mit Vertretern des Staates Israel. Und zwar über das Abkommen, das seit mehr als fünfzehn Jahren aussteht, obwohl es dringend nötig wäre: über den juridischen Status der christlichen Kirchen in Israel, über ihr Eigentum, ihre Steuerbefreiung usw.

„Wir sind jetzt endlich soweit, dass wir konkrete Textvorschläge für ein Steuerabkommen ausgearbeitet haben, und von der nächsten Sitzung an werden beide Delegationen – das haben wir uns versprochen – unsere Texte nebeneinanderhalten. Jetzt wird es also konkret; ich würde sagen: Ich bin nicht optimistisch, aber realistisch.“

„Realismus statt Optimismus“ – dieses Motto paßt eigentlich auch auf die Bischofs-Reise durch`s Heilige Land.

(rv 12.01.2010 sk)







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