Vatikan: Verständnis für Migrantenrevolte in Süditalien
Nach einer Revolte
von Erntearbeitern in Süditalien hat der Vatikan Verständnis für die aufgebrachten
Einwanderer gezeigt. Nachdem Unbekannte in der Stadt Rosarno mit einem Luftgewehr
auf zwei Afrikaner geschossen hatten, war es dort am Donnerstagabend zu Krawallen
gekommen. 67 Menschen, darunter Migranten, Sicherheitskräfte und italienische Bürger,
wurden dabei verletzt. An diesem Samstagmorgen wurde bei Rosarno erneut auf afrikanische
Einwanderer geschossen. Einer von ihnen wurde mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus
eingeliefert. Und auch ein anderer Angriff auf Migranten wurde am Samstag vermeldet:
Am Vortag seien in Rosarno zwei weitere Afrikaner mit Schlägen bedroht worden, meldete
die Nachrichtenagentur ansa. Die Situation in Kalabrien sei für die Einwanderer vor
allem wegen ihrer „schweren Arbeitsbedingungen (...) belastend“ , sagte Kardinalstaatssekretär
Tarcisio Bertone; Gewalt sei als Mittel aber abzulehnen. Auch die Caritas und die
Kirche der betroffenen Region nehmen die Migranten in Schutz: Die Lebensbedingungen
der größtenteils illegalen Arbeiter, die in Rosarno in einer ehemaligen Fabrik ohne
fließendes Wasser und Sanitäranlagen lebten, seien schrecklich. Das meint auch Pino
Demasi, Generalvikar der Diözese Oppido-Palmi. „Auf der einen Seite gibt es
da die lokale Mafia, die so genannte N’drangheta, die diese Bürger unterbuttert und
sie bis aufs letzte ausnutzt. Sie zwingt sie, an diesen schrecklichen Orten zu leben,
und bezahlt sie kaum. Und auf der anderen Seite gibt es da die Menschen guten Willens
aus der Region, die ein Netzwerk der Solidarität aufbauen und die Migranten schützen
wollen.“ Zu mehr Solidarität gegenüber afrikanischen Einwanderern rief zuletzt
auch Siziliens Caritas mit einer provokanten Weihnachtsaktion auf. So fehlten in der
Weihnachtskrippe im Dom von Agrigent die drei Könige: Kaspar, Melchior und Balthasar
– so steht auf einem Hinweisschild zu lesen – seien „zusammen mit anderen Einwanderern
an der Grenze abgewiesen“ worden. Der Erzbischof von Agrigent, Francesco Montenegro:
„Ich kann mich doch nicht von einem Gipskind in der Krippe rühren lassen, das
mich an die Ereignisse von vor 2000 Jahren erinnert, und andererseits vor echten Kindern,
die im Mittelmeer umkommen, gleichgültig bleiben – von solchen armen Kleinen sind
ja so viele gestorben! Ich kriege diese beiden Dinge jedenfalls nicht zusammen…“ Eine
breite Debatte über Integration und die Rechte der Einwanderer ist notwendig - daran
erinnert eindringlich der Erzbischof von Mailand, Kardinal Dionigi Tettamanzi. In
der Messe zum Dreikönigsfest im Mailänder Dom appellierte er an die Bevölkerung der
von der Regionalpartei Lega Nord geprägten Region: „Wir brauchen mehr Einheit
unter uns. Und wir brauchen Entschiedenheit und den energischen Willen, in dieser
selbst gewählten Gesellschaft neue Erziehungsprojekte voranzutreiben. In Italiens
Gesellschaft, die sich auch aus immer mehr Bürgern anderer Nationalitäten zusammensetzt
– und das mit gutem Recht – , müssen wir uns alle von unserer besten Seite zeigen.
Wir brauchen ein tiefes und gemeinsames Nachdenken über die Werte der Person, jeder
Person, über Staatsangehörigkeit, die Staatsbürgerschaft aller und religiöse Zugehörigkeit.“ In
Kalabrien hat man unterdessen mit der Umsiedlung der afrikanischen Einwanderer in
ein süditalienisches Auffanglager begonnen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ansa
befinden sich darunter auch Einwanderer mit Aufenthaltsgenehmigung. (rv/ansa
9.1.2010 pr)