Einen Monat nach seinem
Festtag ist ein Streit zwischen seiner Grabesstätte und seinem Heimatort entfacht:
Der Heilige Nikolaus steht nicht nur am 6. Dezember in den Schlagzeilen. Bei den sterblichen
Überresten des Bischofs von Myra handle es sich nicht um ein Kulturgut; sie seien
„zu verehren, nicht in einem Museum zu besichtigen“. Das sagte der Rektor der Niklauskirche
nach einem Bericht der italienischen Tageszeitung „Il Giornale“. Der türkische Kulturminister
Ertugrul Günay hatte nach Angaben der halbamtlichen türkischen Nachrichtenagentur
„Anadolu“ angekündigt, die im 11. Jahrhundert nach Italien gelangten Gebeine des heiligen
Nikolaus zurückzuverlangen. Das Ministerium plane die Gründung eines Museums der lykischen
Zivilisation, sagte Günay. Der historische Nikolaus wurde ursprünglich in Myra, dem
heutigen Demre, begraben, wo er im vierten Jahrhundert als Bischof wirkte. Nach der
Eroberung der vormals christlichen Region durch die muslimischen Seldschuken brachten
italienische Seeleute die Gebeine des Heiligen im Jahr 1087 aus seinem Grab in Myra
ins süditalienische Bari, wo sie bis heute ruhen.
Der Kölner Brauchtumsforscher
Manfred-Becker Huberti erläutert im Interview mit dem Kölner Domradio, warum die Gebeine
des Heiligen an ihrem jetzigen Ort im italienischen Bari verbleiben sollten.
„Das
ist immer eine Frage bei historischen Vorgängen. Es gibt eine Menge Dinge, die in
der Geschichte passiert sind, wo man sich im Nachhinein fragen muss, ob das alles
rechtens war, oder ob man es wieder in einen Zustand der Rechtsmäßigkeit zurückführen
kann. Wer würde etwa von den Ägyptern verlangen, die Pyramiden abzubauen und die Steine
wieder zurückzubringen, wo sie sie hergeholt haben. Nehmen wir ein Beispiel aus der
Türkei: die Hagia Sofia ist heute Museum, war vorher Moschee und ist ursprünglich
einmal eine christliche Kirche gewesen. Wer sorgt dafür, dass diese christliche Kirche
wiederhergestellt wird und in Benutzung kommen kann? Man kann in der Geschichte bestimmte
Prozesse nicht wieder rückwärts rollen und sie ungeschehen machen. Es gehört zur menschlichen
Natur, dass Dinge passiert sind und man sich mit ihnen arrangieren muss.“
Die
türkische Forderung käme also zu spät, sagt Becker-Huberti:
„Ich bekomme
seit Jahren als Autor von Nikolausbüchern von einem Förderverein in Myra entsprechende
Post, ich solle mich doch dafür einsetzen, dass der Nikolaus zurückkommt nach Myra.
Das Interesse, das dahintersteht, ist der Fremdenverkehr. Man will versuchen, auf
diese Art Menschen dorthin zu locken und das Museum oder die Ausgrabungsstätte zu
besuchen. Der religiöse Aspekt ist völlig ausgeklammert und spielt offensichtlich
für die Türken in diesem Zusammenhang gar keine Rolle.“
Ein Argument der
Italiener ist, dass die Türken die Gebeine in ein Museum stecken möchten.
„Richtig,
im Museum haben diese Gebeine, die verehrt werden, nichts zu suchen. Sie gehören an
einen Kultort und diese Kirche des Nikolaus ist eine Ruine, das wäre sicherlich nicht
der geeignete Ort. Man kann auch nicht ungeschehen machen, was im Laufe der Geschichte
passiert ist. Die Gebeine sind in Bari und sollten dort auch bleiben.“
Und
was würde der Heilige Nikolaus dazu sagen? Dazu meint Becker-Huberti:
„Der
würde sagen, nehmt meine Knöchelchen nicht so wichtig, arrangiert euch mit dem, was
gewesen ist, und lebt so, als ob es dieses Problem gar nicht gäbe.“