Erfüllte Zeit - was der Papst zum Jahreswechsel sagt
Jahresende – Jahresbeginn.
Auch wenn das Kirchenjahr (in dieser Hinsicht einmal der weltlichen Zeitrechnung voraus)
schon mit dem Ersten Advent beginnt, feiert man im Vatikan zumindest den „weltlichen“
Jahreswechsel ausgiebiger. Was Papst Benedikt XVI. zum Jahreswechsel denkt, hat er
einmal sehr schön ausgeführt – in seiner letzten Ansprache des Jahres 2006. „Am
Abend des 31. Dezember kreuzen sich zwei verschiedene Perspektiven“, so der Papst:
„Eine (steht) im Zusammenhang mit dem Ende des weltlichen Kalenderjahres und die andere
in Verbindung mit dem liturgischen Hochfest der heiligen Gottesmutter Maria, das die
Oktav von Weihnachten abschließt. Das erste Ereignis ist allen gemeinsam, das zweite
gehört den Gläubigen.“ Zeit – das sei ein „sehr suggestives Thema“. „In den
letzten Stunden jedes Kalenderjahres wohnen wir einigen sich wiederholenden weltlichen
„Riten“ bei, die im heutigen Kontext überwiegend von Vergnügen geprägt sind und dabei
häufig als Evasion vor der Realität gelebt werden, als gelte es, die negativen Aspekte
auszutreiben und unwahrscheinliches Glück heraufzubeschwören. Wie anders muß die Haltung
der christlichen Gemeinde sein!“ Die Kirche sei gerufen, sich in diesen Stunden die
Gefühle Mariens zu eigen zu machen und den Blick fest auf Jesus zu richten, „die neue
Sonne am Horizont der Menschheit“. „Es stehen sich also zwei verschiedene Bewertungsmaßstäbe
der Dimension „Zeit“ gegenüber, ein quantitativer und ein qualitativer. Einerseits
der Sonnenzyklus mit seinen Rhythmen und anderseits das, was der hl. Paulus die „erfüllte
Zeit“ (vgl. Gal 4,4) nennt, das heißt der Höhepunkt der Geschichte des Universums
und des Menschengeschlechts, als der Sohn Gottes auf die Welt kam.“ Die Zeit
der Verheißungen sei damit vollendet; als die Schwangerschaft Marias zu ihrem Ende
kam, „hat das Land seinen Ertrag gegeben“, zitiert der Papst aus Psalm 67. „Das
Kommen des von den Propheten angekündigten Messias ist das in qualitativer Hinsicht
wichtigste Ereignis der gesamten Geschichte, der es ihren letzten und vollen Sinn
verleiht. Nicht die geschichtlichpolitischen Koordinaten sind es, die die Entscheidungen
Gottes bedingen, im Gegenteil, es ist vielmehr das Ereignis der Menschwerdung, das
die Geschichte mit Wert und Bedeutung „erfüllt“. Das können wir, die wir zweitausend
Jahre nach diesem Ereignis kommen, sozusagen auch „a posteriori“ sagen, nachdem wir
die gesamte Geschichte Jesu bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung kennengelernt
haben. Wir sind gleichzeitig Zeugen seiner Herrlichkeit und seiner Demut, des unermeßlichen
Wertes seines Kommens und der unendlichen Achtung Gottes für uns Menschen und unsere
Geschichte.“ „Erfüllte Zeit“ – aber, und hier kommen wir zu einem charakteristischen
Punkt im Denken dieses Papstes, ohne damit dem Menschlichen Zwang anzutun. „Er
hat die Zeit nicht erfüllt, indem er sich von oben, sondern vielmehr „von innen“ in
sie ergossen hat, indem er sich zum kleinen Samenkorn machte, um die Menschheit zu
ihrer vollen Reife zu führen. Dieser Stil Gottes brachte es mit sich, daß eine lange
Vorbereitungszeit notwendig war, um von Abraham zu Jesus Christus zu gelangen; der
Stil Gottes hat zur Folge, daß nach dem Kommen des Messias die Geschichte nicht zu
Ende war, sondern ihren Lauf fortsetzte – dem Anschein nach in gleicher Weise, in
Wirklichkeit aber bereits von Gott besucht und auf das zweite und endgültige Kommen
des Herrn am Ende der Zeit hin ausgerichtet.“ Kein Ende der Geschichte also,
wie es ein US-Denker einmal nach dem Ende des Kalten Krieges prophezeit hatte, sondern
„erfüllte Zeit“, „von Gott besucht“. Das denkt Papst Benedikt an Silvester, wenn draußen
die Neujahrsböller krachen. (rv 31.12.2009 sk)