2009-12-29 14:58:30

Italien: Oberrabbiner vor Papstbesuch, „Streit draußen austragen“



RealAudioMP3 Den Streit zwischen Juden und Katholiken „außen vor lassen“ – das möchte Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni rund um den bevorstehenden Besuch Papst Benedikts in der römischen Synagoge. Am Nachmittag des 17. Januar begibt sich das Kirchenoberhaupt auf die andere Tiberseite zu dieser kurzen, aber bedeutungsvollen Visite, fast 24 Jahre nach seinem Vorgänger Johannes Paul II., der das Gebetshaus der ältesten jüdischen Gemeinde Europas als erster Papst besucht hatte. Er wünsche sich, dass rund um die interreligiöse Visite allfälliger Streit in den „richtigen Foren, zum richtigen Zeitpunkt und mit der nötigen Gelassenheit“ ausgetragen werde, sagte Oberrabbiner Di Segni im Gespräch mit Radio Vatikan:

 
„Wir müssten eher an die Dinge denken, die uns einen. Nun sind Divergenzen zwar wichtig, um miteinander voranzukommen, und Diskussion ist willkommen, sofern sie nicht in Kampf und Überwältigung ausartet. Aber jenseits dessen sollten wir Botschaften der Brüderlichkeit und des Engagements verbreiten. Die Welt beobachtet uns dabei und will sehen, ob uns das gelingt. Das ist die Herausforderung, mit der wir es im Moment bezüglich dieses Besuchs zu tun haben.“

 
Kurz vor Weihnachten hatte Papst Benedikt einen wichtigen Schritt zur Seligsprechung seines Vorgängers Pius XII. gesetzt: Er erklärte per Dekret den so genannten heroischen Tugendgrad des Pacelli-Papstes und gab ihn damit zur Verehrung durch Gläubige frei. In der jüdischen Welt hatte diese Entscheidung für Aufsehen gesorgt, weil manche in Pius XII. nach wie vor jenen Papst sehen, der zum Holocaust „schwieg“. Wie der römische Oberrabbiner nochmals betonte, schätzte er die umgehende diesbezügliche Erklärung von Vatikansprecher P. Federico Lombardi.

 
„Diese Klarstellung war wichtig in einem atmosphärischen Sinn. Sie war ein Zeichen der Sensibilität des Vatikans für die jüdische Reaktion auf das Dekret. Der Vatikan beeilte sich, den Juden die Grenzlinien dieses Problems darzulegen. Diese Klärung kam rasch – ob sie überzeugte, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings betrifft die Frage nicht nur die Juden. Mir scheint, es gibt über Pius XII. tiefe Meinungsverschiedenheiten auch in der katholischen Welt. Die jüdische Gemeinschaft hat auch unterstrichen, dass der Besuch des Papstes nicht sozusagen aufgerechnet werden kann gegen den historischen Streit über das Schweigen Pius XII. Dieser historische Streit bleibt klarerweise offen.“

 
Rund ein Jahr vor dem nun bevorstehenden Synagogenbesuch Papst Benedikts hatten die italienischen Rabbiner entschieden, ihre Teilnahme am traditionellen Tag des jüdisch-christlichen Dialogs abzusagen. Sie protestierten damit gegen die Frage der Karfreitagsfürbitte im alten römischen Messritus.

 
„Diese Angelegenheit ist, sagen wir, auf einer diplomatischen Ebene abgeschlossen. Es gibt nach wie vor ein Gebet „de conversione iudaeorum“, und da waren Klärungen auch auf lokaler Ebene nötig. Kardinal Angelo Bagnasco, der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, stellte ja dann klar, dass die katholische Kirche keine Absicht zur Bekehrung der Juden hat. Und damit können wir den Dialog gelassen betreiben, denn eine Bekehrungsabsicht ist, offen gesagt, eine Mauer, die die Kommunikation unterbindet.“

 
Papst Benedikts Pontifikat dauert bald fünf Jahre. Wie schätzt der römische Oberrabbiner das bisherige Agieren des deutschen Pontifex in katholisch-jüdischen Fragen ein?

 
„Was das theologische und historische Denken Papst Benedikts und auch sein praktisches Vorgehen bezüglich der Juden angeht, handelt es sich um ein sehr komplexes und artikuliertes Denken. Dieses Denken ist fähig zu radikalen Öffnungen, aber es kommt auch zu Momenten der Härte und vielleicht sogar zu Unverständnis. Wir bewegen uns also gegenüber dieser Komplexität.“

 
Hauptpunkt der Papstvisite am 17. Januar sind die Ansprachen Benedikts sowie der jüdischen Würdenträger in der Synagoge selbst. Es folgt ein Besuch im angeschlossenen kleinen Museum. Dort wird dem Papst ein kürzlich entdecktes historisches Dokument präsentiert werden, wie der Oberrabbiner erklärt:

 
„Es handelt sich um Zeugnisse aus der Zeit der Besitzergreifung durch die Päpste in Rom. Damals wurden Prozessionen durchgeführt, und die jüdische Gemeinde musste zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt diese Prozessionen ausstatten. Einige von diesen Tafeln haben wir nun wiederentdeckt und stellen sie aus. Abgesehen vom historischen und künstlerischen Wert dokumentieren sie eine Vergangenheit, in der die Juden, die ja auch Untertanen des Papstes waren, zu Akten der Ehrerbietung angehalten waren. Diese Stücke auszustellen, bedeutet auch, die Unterschiede zwischen damals und heute zu verdeutlichen.“

(rv 29.12.2009 gs)











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