Benedikt XVI. an Kurie „Ohne Versöhnung keine Menschlichkeit“
Papst Benedikt hat
nach der Kritik jüdischer Gemeinden am Vorantreiben der Seligsprechung des umstrittenen
Papstes Pius XII. die antisemitischen Verbrechen der Nationalssozialisten erneuet
verurteilt. In einer Rede vor Vertretern der Kurie erinnerte Benedikt XVI. an seinen
Besuch der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem im Mai 2009. Der Papst:
„Der
Besuch in Jad Vashem war eine erschütternde Begegnung mit der Grausamkeit des menschlichen
Fehlens, mit dem Hass einer verblendeten Ideologie, die ohne jede Rechtfertigung Millionen
dem Tod ausgeliefert hat und in letzter Konsequenz Gott aus der Welt vertreiben wollte;
den Gott Abrahams, Isaaks Jakobs und den Gott Jesu Christi.“
Doch ohne
Versöhnung gebe es keine wirkliche Menschlichkeit und auch keine wirksame Politik,
ereinnerte der Papst weiter. Die „Bereitschaft zum ersten Schritt auf den anderen
zu“ werde heute immer wieder aufs Neue gebraucht, so der Papst, Versöhnung sei grundlegende
Voraussetzung für dauerhaften Frieden. Das zeige auch die Situation Afrikas, so Benedikt,
der in seiner Botschaft auch auf seine Reise nach Afrika und die Afrika-Synode einging.
Benedikt wörtlich:
„Jede Gesellschaft braucht für den Frieden Versöhnung.
Versöhnung ist notwendig für eine gute Politik, kann aber nicht nur durch Politik
verwirklicht werden. Versöhnung ist ein Konzept und eine Wirklichkeit, die vor der
Politik kommt: Wenn sich im Herzen nicht die Kraft der Versöhnung bildet, fehlt die
Voraussetzung für einen politischen Einsatz für den Frieden.“
Als positives
Beispiel geglückter Versöhnung nannte das katholische Kirchenoberhaupt die Entwicklung
Europas nach dem zweiten Weltkrieg: Politische und ethisch orientierte gesellschaftliche
Strukturen hätten dort den Frieden nach Kriegsende gesichert. Für „innere und äußere
Erneuerung“ sei jedoch auch Buße notwendig, so der Papst. Denn um aufeinander zugehen
zu können, müsse man zunächst eigene Fehlhandlungen erkennen. Benedikt:
„In
unserer heutigen Welt müssen wir das Sakrament der Buße und die Versöhnung wiederentdecken.
Die Tatsache, dass die Buße zu großem Teil aus den grundlegenden Gewohnheiten der
Christen verschwunden ist, ist Symptom des Verlustes von Wahrhaftigkeit gegenüber
uns selbst und gegenüber Gott. Dieser Verlust bringt unsere Menschlichkeit und unsere
Fähigkeit, Frieden zu schließen, in Gefahr. Die Einheit von Schuld, Buße und Versöhnung
ist eine der grundlegenden Bedingungen wahrer Menschlichkeit, Bedingungen, die im
Sakrament der Buße ihre vollständige Form erhalten, aber bereits von ihren Wurzeln
her zum Menschsein dazugehören.“
Versöhnung sei nicht nur ein wichtiges
Element für den interreligiösen Dialog, so der Papst mit Blick auf die Vergangeheit,
Afrika und den Nahen Osten. Auch für den Dialog mit Atheismus und Agnostik sei diese
Haltung von Bedeutung, so der Papst in Bezug auf seine Reise in das weitgehend atheistische
Tschechien. (rv 21.12.09 pr)