Glühwein, Glitzer und Geschenke – mehr zählt in der Vorweihnachtszeit nicht. So möchte
man meinen, wenn man sich derzeit in die Innenstädte wagt. Tagein, tagaus schieben
sich wahre Menschenmassen durch Geschäfte und über Weihnachtsmärkte. Doch sind die
leisen und besinnlichen Momente vom Weihnachtskonsum wirklich übertönt worden? Christine
Lauter hat sich für Radio Vatikan auf Weihnachtsmärkten im Rheinland umgehört.
Schon im September
stolpert man im Supermarkt über Schokoweihnachtsmänner im Coca-Cola-roten Outfit.
Lametta und Weihnachtskugeln folgen kurze Zeit später und Ratgeber für das perfekte
Menü am heiligen Abend flimmern schon weit vorm ersten Adventssonntag über die Mattscheiben.
Die Suche nach dem einzigartigen Geschenk artet spätestens mit Eröffnung der unzähligen
Weihnachtsmärkte in Stress aus. Nicht nur für den Kunden, sondern auch für den Verkäufer,
wie ein Mitarbeiter in der besonders zu Weihnachten beliebten Tonträgerabteilung eines
Elektrofachmarkts zu berichten weiß:
„Die Kunden sind meistens sehr gestresst
und wollen das gesuchte Produkt sofort haben und sind sehr unzufrieden mit uns, wenn
sie es nicht sofort bekommen. In unserer heutigen Welt geht es eigentlich nur noch
um Konsum beim Weihnachtsgeschäft, mit Nächstenliebe hat das nichts mehr zu tun. Für
mich persönlich ist das Weihnachtsfest eigentlich ein Fest, was man mit seiner Familie
feiern sollte, für mich als Verkäufer stellt sich aber gar keine Weihnachtsstimmung
ein, weil es nur noch stressig ist in dieser Zeit. Und wenn dann noch zum fünfzehnten
Mal aus der Nebenabteilung ‚Last Christmas‘ dudelt, das
ja nichts mit Weihnachten zu tun hat, dann ist das auch nicht möglich.“
Einen
ähnlichen Eindruck von der Dauerbeschallung von Kunde und Verkäufer hat auch Johannes
Sczyrba, Regionaldekan im Bistum Aachen:
„Da wird für mich fraglich, ob
‚Ihr Kinderlein kommet‘ und ‚Stille Nacht,
heilige Nacht‘ noch christliche Lieder sind, wenn sie so ausgelutscht
worden sind und man den Sinn und den Hintergrund nicht mehr versteht.“
In
Sczyrbas Region Krefeld/Meerbusch hat vor einigen Wochen eine Diskussion um die Abschaffung
religiöser Symbole aus der Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt die Gemüter erhitzt.
Während Medien und ein Großteil der Kunden die Entscheidung des Krefelder Werberings
bisweilen heftig kritisiert haben, ist sie für den Regionaldekan aus theologischer
Sicht ein Gewinn:
„Ich bin sogar fast froh, dass die weihnachtlich, winterliche
Beleuchtung nun von christlichen Symbolen befreit ist, weil man ja auch immer fragen
muss, was christliche Symbole sind. Einige stellen sich ja vor, der Weihnachtsbaum
oder das Geschenkpaket, die Weihnachtskerze - das wären schon weihnachtliche Symbole,
dabei hat das alles mit der Geburt Jesu Christi nur zweitrangig oder gar nichts zu
tun. Für mich ist einfach wichtig, noch mal genau hinzuschauen, was wir eigentlich
mit dem Fest ausdrücken wollen. Und da sind wir Christen meines Erachtens heute mehr
denn je gefragt, das Weihnachtsfest auch noch mal in seiner Ursprünglichkeit zu erleben
und festzustellen, was es denn eigentlich transportieren will: Ein Mensch schenkt
sich den Menschen, ein Gott schenkt sich dem Menschen. Da können Geschenke sogar das
Gegenteil bewirken, das heißt man schenkt sich nicht mehr, sondern man gibt stellvertretend
Anderes, damit man sich nicht mehr schenken muss.“
Offenbar
steht Johannes Sczyrba mit dieser Meinung längst nicht alleine da: So verweigern sich
christlich geleitete Fairtrade-Organisationen dem werbebelasteten Weihnachtsmann und
verkaufen Schokoladennikoläuse mit Mitra und Bischofsstab – und diese Idee findet
großen Anklang. Online gibt es mittlerweile eigene Foren zur Diskussion von Für und
Wider des Weihnachtskaufrauschs – konfessions- und religionsüberschreitend wohl bemerkt.
Auch wird darum gekämpft, dass das Weihnachtslied wieder seinen ursprünglichen Platz
jenseits der Lautsprecher in Supermarkt und auf Weihnachtsmarktkarussell findet. Während
sich in Österreich eine Einzelhandelsgewerkschaft für die Abschaffung von Weihnachtsmusik
in Endlosschleife einsetzt, weiß eine Musiklehrerin von ganz besonderen Momenten der
Hoffnung und der Weihnachtsbotschaft zu berichten:
„Seit über dreißig Jahren
singe ich in der Vorweihnachtszeit mit 10- bis 14-jährigen Kindern und Jugendlichen
weihnachtliche Lieder. Und jedes Jahr ist es so, dass mit voller Inbrunst und mit
Lautstärke gesungen wird ‚Go tell it on the mountains‘ und
noch andere Lieder in dieser Art. Aber es ist genauso, dass alle Jahre diese Kinder
und Jugendliche fragen: Singen wir denn auch ‚Ihr Kinderlein kommet‘
und ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘? Und vor allem – und
das lässt mich glauben, dass noch ganz, ganz viel Empfangsbereitschaft für die christliche
Botschaft in unseren jungen Menschen ist – vor allem wird gefragt nach einem ganz
ruhigen Wiegenlied. Und das wird dann mit wirklicher Empfindung – das sieht man dem
Gesichtsausdruck an und das hört man auch an den Stimmen – jedes Jahr gewünscht und
jedes Jahr gesungen.“