2009-12-14 14:42:07

Wyrwoll: „Wir gehören im Grunde zur gleichen catholica“


Kaum noch Spielraum sieht das Moskauer Patriarchat im Kontakt mit der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Die Tatsache, dass jetzt eine Frau an der Spitze der evangelischen Kirche Deutschlands steht, wirft prinzipiell die Frage auf, ob der Dialog noch in derselben Form weitergehen kann.“ So kommentierte Erzbischof Hilarion, Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, zuletzt den EKD-Ratsvorsitz der Hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann. Mit den Katholiken vertiefen die Russisch-Orthodoxen dagegen das Gespräch. Zum sechsten Mal trafen sich in der vergangenen Woche Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und der deutschen Bischöfe – und zwar im Benediktinerkloster Weltenburg in Oberbayern. Im Mittelpunkt der Debatte stand das christliche Menschenbild.

Bei solchen Gesprächen gehe es nicht um einen Dialog, bei dem man „um theologische Wahrheiten ringen“ müsse. Das stellt Nikolaus Wyrwoll, Direktor des Ostkirchlichen Instituts in Regensburg, im Gespräch mit dem Domradio Köln klar. Für den Ostkirchenexperten stehen die Gespräche auf einer soliden gemeinsamen Basis. Wyrwoll:

„Es geht darum, dass man ja im Grunde genommen zur gleichen „catholica“ gehört und einfach die unterschiedlichen Auffassungen und Möglichkeiten der Seelsorge mal bespricht und sich so gegenseitig hilft.“
 
Katholiken und Orthodoxe sind sich nämlich viel näher, als viele gemeinhin denken. 97 Prozent Kircheneinheit sind laut Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller zwischen ihnen schon erreicht. Letzter Streitpunkt – und der macht die letzten drei Prozent aus – sei vor allem die Frage des Primats. Wyrwoll:

„Die Russen sind uns ja von allen orthodoxen Kirchen theologisch am nächsten, aber sie erkennen nicht den Primat in seiner modernen Ausübungsform an. Und da ist es interessant, dass Kardinal Joseph Ratzinger vor neun Jahren in diesem umstrittenen Dekret „Dominus Jesus“ gesagt hat: Die Anerkennung des Primats in seiner modernen Auffassung und Ausübung gehört nicht zu den Kriterien einer echten Teilkirche! Und in Nummer 17 dieses Dekretes steht: Die Russen sind echte Teilkirchen wie jedes katholische Bistum auch, obwohl sie den Primat in dieser neuen Form nicht anerkennen.“ 
Zur Frage des päpstlichen Primats wird das orthodoxe Patriarchat von Moskau bald ein Dokument veröffentlichen; der Text wird gerade von der Bibel- und Theologenkommission ausgearbeitet, ist aus Moskau zu hören. Unsere Nähe gerade zur russischen Spielart der Orthodoxie erklärt Wyrwoll so:

„Die Griechen und die griechischen Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Jerusalem und Antiochien haben 1755 erklärt, dass wir Westler alle Häretiker und Heiden sind, und wenn einer von uns zu ihnen kommt, dann muss er wieder getauft werden. Die Russen haben das zwei Jahre später erfahren – und sich dagegen ausgesprochen: Nein, wer katholisch ist und zu uns kommen will, der muss einfach nur laut das Glaubensbekenntnis aufsagen und wer evangelisch ist, der muss die Firmung, die noch einmal empfangen. Dass die Russen so reagieren, hängt damit zusammen, dass sie über den polnischen Staat sehr viele Kontakte mit dem Westen hatten und auch viele Formulierungen der Theologie des Westens übernommen haben – gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Calvinismus.“ 
(domradio/rv/ansa/spiegel 14.12.2009 sk/pr)







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