Nahost: Im Schatten der Mauer - Evangelische Schule baut Brücken
Ernsthaft besorgt über
den Mangel an Fortschritten im Nahost-Friedensprozess haben sich die EU-Außenminister
in ihrer jüngsten Nahost-Erklärung geäußert. Deutlichstes Symbol der scheinbar unüberwindbaren
Fronten sind die israelischen Sperranlagen. Doch im Schatten der Mauer entstehen
auch Zeichen der Hoffnung. Dort, nämlich im palästinensischen Beit Jala, dem überwiegend
christlichen Nachbartort von Bethlehem, steht die Talitha-Kumi-Schule und will Brücken
bauen. Sie wurde vor 160 Jahren von deutschen Diakonissen gegründet und ist die größte
evangelische Schule in den palästinensischen Gebieten. Heute ist das Berliner Missionswerk
der Träger der Schule. Unsere Korrespondentin Gabi Fröhlich hat ihren deutschen Schulleiter,
Dr. Georg Dürr, gefragt, wie die Schule einen Beitrag zum Frieden in Nahost leisten
will: „Wenn Sie sich hier umschauen, dann sehen Sie ein Bild, dass ein Schüler
für mich gemalt hat, mit dem Titel ‚Open our future‛, also ‚Öffne unsere Zukunft‛.
Und ich denke, das sollte unser Beitrag hier sein, dass wir die Zukunft für unsere
Schüler öffnen, dass es für Christen und Muslime eine Zukunft in einem guten Miteinander
gibt.“ Talitha-Kumi steht direkt an der Mauer zwischen Jerusalem und Bethlehem,
von den Israelis als Sicherheitsmauer gebaut, von den Palästinensern als „Apartheidsmauer“
bezeichnet. Sie wollten mit Ihrer Schule immer Brückenbauer sein. Ist so etwas in
dieser Situation direkt neben der Mauer überhaupt möglich? „Das ist in der Tat
ein Kunststück. Es gibt zwei Mauern. Das eine ist die physische Mauer, die da unten
steht, das andere ist die Mauer im Kopf. An der Mauer da unten können wir nicht viel
machen. Aber wir können uns bemühen, die Mauer in unserem Kopf durch unser Denken
zu überwinden. Wir versuchen das mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
So hatten wir zum Beispiel auch in diesem Jahr wieder zwischen Juni und September
über dreißig Begegnungsgruppen von Palästinensern und Israelis.“ Israelis dürfen
ja eigentlich nicht in die palästinensischen Gebiete hinein. Wie haben Sie das bewerkstelligt? „Die
Israelis dürfen in die C-Zone. Der glückliche Umstand besteht darin, dass unsere Schule
unmittelbar zwischen der A-Zone und der C-Zone liegt. Deswegen halten sich die Israelis
hier legal auf. Sie können nicht ‚erwischt‛ werden oder so ähnlich, sondern sind an
der richtigen Stelle. Leider hatten wir aber noch keinen Erfolg mit Kooperationen
mit israelischen Schulen, denn der Staat verbietet das.“ Ich stelle mir das
recht frustrierend vor, vor diesem Hintergrund zu arbeiten, wo man das Gefühl haben
muss, gegen einen großen Strom anzuschwimmen, ohne ihn wirklich umkehren zu können. „Das
ist das Prinzip. Man muss mit sich selbst klar kommen. Man muss wissen, was man will.
Und dann muss man den Weg gehen. Egal, wie der Strom läuft.“ (rv 13.12.2009
gf/ad)