Wyrwoll: „Wir gehören im Grunde zur gleichen catholica“
Zum sechsten Mal schon
haben sich in den letzten Tagen Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und der deutschen
Bischöfe getroffen – und zwar im Benediktinerkloster Weltenburg in Oberbayern. Im
Mittelpunkt der Debatte stand das christliche Menschenbild. Nikolaus Wyrwoll, Direktor
des Ostkirchlichen Instituts in Regensburg, sagt im Gespräch mit dem Domradio Köln:
„Es
geht ja nicht um einen Dialog, wo man um theologische Wahrheiten ringen muss – wer
hat recht und wer müsste noch mehr recht haben –, sondern es geht darum, dass man
ja im Grunde genommen zur gleichen „catholica“ gehört und einfach die unterschiedlichen
Auffassungen und Möglichkeiten der Seelsorge mal bespricht und sich so gegenseitig
hilft.“
Katholiken und Orthodoxe sind sich viel näher, als viele gemeinhin
denken. 97 Prozent Kircheneinheit sind laut Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller
zwischen ihnen schon erreicht; was sind denn die letzten drei Prozent?
„Das
ist die Frage des Primats. Die Russen sind uns ja von allen orthodoxen Kirchen theologisch
am nächsten, aber sie erkennen nicht den Primat in seiner modernen Ausübungsform an.
Und da ist es interessant, dass Kardinal Joseph Ratzinger vor neun Jahren in diesem
umstrittenen Dekret „Dominus Jesus“ gesagt hat: Die Anerkennung des Primats in seiner
modernen Auffassung und Ausübung gehört nicht zu den Kriterien einer echten Teilkirche!“
Zur
Frage des päpstlichen Primats wird das orthodoxe Patriarchat von Moskau bald ein Dokument
veröffentlichen; der Text wird gerade von der Bibel- und Theologenkommission ausgearbeitet,
ist aus Moskau zu hören. Unsere Nähe gerade zur russischen Spielart der Orthodoxie
erklärt Wyrwoll so:
„Die Griechen und die griechischen Patriarchen von Konstantinopel,
Alexandrien, Jerusalem und Antiochien haben 1755 erklärt, dass wir Westler alle Häretiker
und Heiden sind, und wenn einer von uns zu ihnen kommt, dann muss er wieder getauft
werden. Die Russen haben zwei Jahre später das erfahren – und sich dagegen ausgesprochen:
Nein, wer katholisch ist und zu uns kommen will, der muss einfach nur laut das Glaubensbekenntnis
aufsagen...“
Viel weniger entspannt ist das Verhältnis der russisch-orthodoxen
Kirche zu den deutschen Lutheranern. Grund ist, dass die Russen nicht das Priesteramt
der Protestanten anerkennen. Das Moskauer Patriarchat hat jetzt einen Brief seines
„Außenministers“, Metropolit Hilarion, an die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche Deutschlands veröffentlicht; es ist die Bischöfin Margot Käßmann. In dem Brief
sieht Hilarion kaum noch Spielraum für den Dialog mit der EKD und deutet einen Abbruch
der Gespräche an. Wörtlich heißt es in dem Brief: „Die Tatsache, dass jetzt eine Frau
an der Spitze der evangelischen Kirche Deutschlands steht, wirft prinzipiell die Frage
auf, ob der Dialog noch in derselben Form weitergehen kann.“ Die Protestanten seien
auf einem „Weg, der auf dramatische Weise die Unterschiede zwischen unseren Traditionen
verschärft“. Hilarion will ein klärendes Gespräch mit Käßmann führen.