Vielleicht ist es
kein Zufall, dass die katholische Kirche gerade in der Stadt des Westfälischen Friedens
die guten Beziehungen zur jüdischen und muslimischen Religionsgemeinden mit einem
gemeinsamen Projekt ausbauen möchte. In Osnabrück nämlich soll eine Grundschule der
„Abrahamischen Religionen“ entstehen. Was es mit dem Konzept dieser Ganztagsschule
auf sich hat, verrät der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Osnabrück Michael Grünberg:
„Das
wird eine Grundschule sein, die sich einfach mehr mit Religion beschäftigt als andere
Schulen das bisher getan haben. Das heißt, dass jüdische Kinder jüdischen Religionsunterricht
bekommen, katholische und evangelische Kinder jeweils in ihrer Konfession und Muslime
sollen in muslimischer Religion unterrichtet werden. Das ist eine Schule, wo die Religionen
zwar getrennt sind, aber trotzdem auch gemeinsam behandelt werden; wo über Feiertage
und Festlichkeiten gesprochen wird. Diese werden dann entsprechend erklärt, damit
es einfach in Zukunft Normalität unter den Kindern gibt. Damit es in Zukunft nichts
Besonderes mehr ist, ein jüdisches Kind zu sein oder ein muslimisches Kind, sondern
dass man miteinander lernt und über die andere Religion auch mehr weiß.“ Die
Idee des Bistums Osnabrück und seiner Schulstiftung will zum friedlichen Zusammenleben
beitragen. Darüber freut sich besonders der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime
in Niedersachsen Avni Altiner, für den es nicht die erste Zusammenarbeit im Bereich
Schule mit dem Bistum Osnabrück ist:
„Wir haben einen sehr guten Dialog
mit dem Bischof in Osnabrück. Aus zwei Gründen: wir haben selbst als Muslimischer
Landesverband in Osnabrück fünf Gemeinden. Gleichzeitig setzten wir uns für islamischen
Religionsunterricht – auch an der Universität – ein. Dadurch haben wir einen sehr
engen Kontakt. Das Bistum Osnabrück hat auch eine Privatschule, an der islamischer
Religionsunterricht unterrichtet wird. Das ist einmalig in der ganzen Bundesrepublik.
Wir haben dadurch sehr engen Kontakt. Man kann sagen, dass das eine Ausnahmeerscheinung
im ganzen Bundesgebiet ist.“ Einen großen Gewinn erhofft sich Avni Altiner
vor allem für die jüdischen und muslimischen Familien. Denn es sei das erste Mal,
dass man religiöse Riten und Bräuche nicht-christlicher Religionen in dieser Form
in einer Schule berücksichtige. Das ist vor allem für die muslimischen Eltern sehr
wichtig. Altiner:
„Bei der Elternschaft besteht großes Interesse, weil die
Muslime wie auch die jüdischen Eltern, wie wir erfahren haben, den Wunsch haben, dass
man auch in der Kantine dieser Schule koscher essen darf, also jüdisch oder auch islamisch
oder auch christlich essen kann. Das wird die Kinder und gleichzeitig die Elternschaft
auch prägen. Wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der alle Religionen gewollt
sind, und wenn wir einen sozialen Frieden haben wollen, dann können wir nicht von
einem sozialen Frieden voneinander hören, sondern müssen ihn miteinander leben. Das
wird bei diesem Projekt der Fall sein. Unter einem Dach: Juden, Christen, Muslime.“ Der
Dialog zwischen den Religionen steht also im Mittelpunkt. Akzeptanz und Toleranz sind
dabei zwei wichtige Stichpunkte. Eine Voraussetzung dafür ist, dass man sich gegenseitig
besser kennt. Genau das ist die Absicht der katholischen, muslimischen und jüdischen
Religionsgemeinschaften. Michael Grünberg, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde:
„Wir
leben hier zusammen, wir arbeiten zusammen, wir lernen uns immer besser kennen. Für
unsere Kinder ist es ganz normal, zu wissen, was Weihnachten ist, aber nicht alle
christlichen Kinder wissen, was Hanuka ist oder was Purim ist. Und es ist schön, wenn
man das erklären kann.“ Auch von muslimischer Seite wird diese
Ansicht geteilt. Der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime in Niedersachsen
Avni Altiner: „Eine Akzeptanz kommt nur dadurch, dass ich den anderen kenne,
ihn intensiv kenne. Wenn ich weiß, dass derjenige, den ich nicht kenne, Moslem oder
Jude ist, aber wie ich auch an einen Gott glaubt. Und er hat wie ich auch seine Feierlichkeit.
Ob ich Ostern oder Weihnachten feiere, oder andere katholische Feiern, werden sie
sehen, dass die Juden auch ihre Feiern haben, die Muslime ihre Feiern haben.“ Aber
Akzeptanz und Toleranz reichen Altiner noch nicht. Er geht noch einen Schritt weiter:
„Wir
müssen auch die andere Seite fördern, den jüdischen Kindern dazu verhelfen, dass sie
– als Minderheit unter den Minderheiten – sich auch als Juden bezeichnen können. Das
ist enorm wichtig für diese Gesellschaft. Für das soziale Leben ist das sehr wichtig.
Es ist auch ein Auftrag an die muslimischen, jüdischen und christlichen Elternteile,
dass man die Religion in den Schulalltag und in den Alltag der Stadt stellt. Damit
es nicht etwas Verborgenes, etwas Verstecktes ist. Das wird unser Leben prägen. Wir
brauchen in dieser Gesellschaft viel ethische und moralische Hilfe und das kann, meiner
Meinung nach, durch Religion sehr gut vermittelt werden.“ (rv/pm 11.12.2009
jb)