2009-12-11 15:12:58

D/Afghanistan: „Wenn viele Kerzen brennen ist die Lage angespannt“


RealAudioMP3 Der deutsche Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat an diesem Freitag überraschend deutsche Soldaten in Afghanistan besucht. Er sprach mit ihnen über den verheerenden Luftangriff nahe Kundus und sagte ihnen umfassende Aufklärung zu. Bei dem von der Bundeswehr veranlassten Nato-Luftschlag waren Anfang September bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter auch viele Zivilisten. Guttenberg bezeichnete das Bombardement inzwischen als militärische „Fehleinschätzung“. Neben den militärischen und politischen Entscheidungsträgern sind es jetzt aber vor allem die bei Kundus stationierten Soldaten, die mit dieser „Fehlentscheidung“ fertig werden müssen. Militärseelsorger rechnen mit schweren psychischen Folgen.

„Die Erfahrung aus dem Einsatz in Kundus wird die Soldaten nicht so einfach loslassen, das wird sie weiter begleiten“, sagt Militärseelsorger Pater Jonatahn Göllner im Kölner domradio. Der 43-jährige Benediktiner war bis Ende November in Kundus im Einsatz. „Viele Soldaten beschreiben das so: Man wird grau an der Seele. So wie man graue Haare kriegt nach manchen Erfahrungen, so hinterlässt das auch Spuren auf der Seele.“

Die Bombardierung zweier von den Taliban gekaperter Tanklastzüge bei Kundus am 4. September 2009 gilt als einer der bisher blutigsten Einsätze in der Geschichte der Bundeswehr. In den Tagen unmittelbar nach dem Angriff habe großer Gesprächsbedarf seitens der in Kundus stationierten Soldaten bestanden, berichtet Militärseelsorger Göllner:

„Zunächst gab es da einen Moment der Starre. Man fragte sich: Was ist da eigentlich passiert? Die ersten Reaktionen aus Afghanistan waren ja gegenüber den Soldaten sehr positiv. Der Gouverneur und die Distriktmanager sagten den Soldaten das sei eine gute Aktion gewesen. Umgekehrt kam aber aus Deutschland sehr massive Kritik - in den Medien und in der Öffentlichkeit. Und plötzlich in diesem Zwiespalt zu stehen zwischen Lob und Tadel, das war eine fast schon schizophrene Situation.“ 
Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan beschränke sich längst nicht mehr auf „Brunnenbauen in Uniform“, bestätigte Göllner im domradio-Interview:

„Seit Mitte dieses Jahres hat sich die Situation in Kundus grundlegend geändert. Für die Soldaten ist das wirklich eine kriegerische Auseinandersetzung und man merkt dort diesen Unterschied. Wir wechseln ja alle vier Monate die Kontingente. Für Soldaten die jetzt unten in Kundus sind, ist es ganz klar ein Kampfeinsatz.“ 
Bei seinem Einsatz als Seelsorger in Kundus sei es vor allem darum gegangen zuzuhören, erzählt Göllner. Die Soldaten stünden unter großem psychischen Stress, den viele bei ihm abladen würden:
Einige hätten eine ganz schlichte, fast wortlose Form gefunden, mit der seelischen Belastung umzugehen:

„Wir haben einen Kerzenleuchter in Kundus und dort sehe ich immer an der Anzahl der Kerzen die brennen, wie die Stimmung ist: Wenn viele Kerzen brennen ist die Lage äußerst angespannt.“

(dr/reuters 11.12.2009 ad)







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