2009-12-10 20:38:13

Bethlehem liegt in Darfur. Weihnachtsbilder aus Afrika


RealAudioMP3 Eine junge Frau sitzt vor einer mit Stroh gedeckten Lehmhütte. Ihr Kleid aus blau gebatiktem Stoff ist ihr von der rechten Schulter gerutscht. Bis vor wenigen Sekunden, so scheint es, hat sie noch im Kochtopf auf der kleinen Feuerstelle gerührt. Vor ihr steht ein hoch gewachsener Mann in weißer Tunika. – Ein Bild aus dem afrikanischen Alltag. Und: die erste Szene in einer Katechesereihe über die Geburt Jesu. Ein Bericht von Birgit Pottler.

Jesus Mafa heißt der Zyklus. Entstanden ist er im Norden Kameruns. Christliche Gemeinschaften aus der Volksgruppe der Mafa haben dieses Bilderprojekt 1973 in Angriff genommen. Sie haben die Erzählungen der Weihnachtsgeschichte und zahlreicher Sonntagsevangelien in Szene gesetzt, diese wurden fotografiert und anschließend gemalt. Bis heute wurden sechs Millionen dieser Bilder in 83 Länder versandt.

Die junge Frau vor der Hütte, der hoch gewachsene Mann in Weiß, Mafa-Christen stellen sich so die Verkündigung vor. Was für europäische Augen fremd oder primitiv wirken mag, folgt im Grunde keinem anderen Prinzip als eine Krippenszene aus Oberammergau, dem Grödnertal oder Neapel.

„Genau so ist es“, sagt Pater Joe Übelmesser. Der langjährige Leiter der Missionsprokur der Jesuiten. „Wie die Maria als junges Mädchen da sitzt; mit der rechten Hand fast noch mit dem Reis zerkleinern beschäftigt ist, mit der linken diese grüßende Geste zeigt… Und der Engel wie ein junger Herr, der gerade aus dem Nachbardorf kommt. So ganz ohne Heiligenschein und ohne alles. Und so wird’s doch wohl gewesen sein, denn die Heiligenscheine haben wir diesen Figuren erst später aufgesetzt.“ 
Die Missionsprokur der Jesuiten hat die Bilder der Mafa in diesem Jahr zur Weihnachtskunst erklärt, stellt sie vor, verwendet sie für Advents- und Weihnachtsgrüße. Warum? Mission sei nie nur eine Einbahnstraße, sagt Übelmesser, seit fast 60 Jahren Jesuit. „Fasziniert haben mich diese Bilder, weil sie die Sache von Weihnachten und andere Szenen aus dem Leben Jesu etwas verfremdet darstellen, so dass man wieder neu hinsehen muss und dadurch vielleicht auch selber wieder neu Einsicht gewinnt.“ Entfremdet wirken die Bilder nur für unsere europäischen Augen. Doch für Menschen in Afrika, speziell in Nord-Kamerun, wo sie entstanden sind, „ist es deren Welt“. 
Frei von Kolonialmächten
Die Dorfbevölkerung der Mafa hat 63 Szenen aus dem Neuen Testament szenisch nachgestellt, von der Verkündung bis zum Pfingstfest entlang der Lesejahre. Jesus und seine Jünger sind zu Gast in den Rundbauten der Dörfer im Norden Kameruns oder unter den Wellblechdächern der größeren Siedlungen. Der Weg auf der Flucht vor Herodes führt durch das Mandara-Gebirge im Grenzland zu Nigeria. Die Momentaufnahmen kommen als Poster und Bilder in Katechesen zum Einsatz oder im Gottesdienst; dann gehen Evangelium und Auslegung direkt ineinander über. Christen in Afrika sehen so das Evangelium mit ihren eigenen Augen und nicht mit den für sie fremden, europäischen der Kolonialmächte.

Pater Übelmesser: „Ich mein halt, das Evangelium soll nicht nur in die Sprache dieser Menschen übersetzt werden, sondern auch in ihre Bilderwelt. Ich denke, dass Bilder mehr prägen als Worte. Ich weiß das doch von mir selbst, wenn man ein Bild im Kopf hat, das kriegt man so schnell nicht mehr los.“ Übelmesser selbst hat in Indien studiert und kennt die Realität der Mission aus Arbeit, Ordensleben und unzähligen Reisen. Und doch: „Ich stelle mir, obwohl gerade ich das besser wissen müsste, Missionare immer noch so vor, als kämen sie aus dem Westen. Das Bild ist immer noch in mir drin, und ich denke, die Bilder, welche die Menschen in den Entwicklungsländern haben, waren so sehr von italienischer Malerei und zum Teil von Kitsch aus Hongkong geprägt, dass es im Grunde schwer ist, das Evangelium ihrer eigenen Bilderwelt nahe zu bringen.“

„Es ist dringend notwendig für uns, die Botschaft, das Leben und die ganze Person Jesu Christi auf afrikanische, künstlerische Weise zur Sprache zu bringen“, argumentiert Paul Pondy von der Direktion Katholischer Schulen in Kameruns Hauptstadt Yaounde. „In unserer Sprache, mit den Ausdrucksweisen unseres Alltags. Andere Kulturkreise haben das vor uns getan, aber wir müssen uns nicht auf deren Vorstellungen beschränken.“ Ein so genannter „afrikanischer Christus“ nehme nichts, weder der Historizität noch der Authentizität der Botschaft. Im Gegenteil, meint der erfahrene Katechet und Lehrer. Ein schwarzer Jesus bereichere die universale Bedeutung der Botschaft.

Bibel der Armen
Wie die großen europäischen Bilderzyklen zum Beispiel in Assisi sind die Bilder der Mafa auch eine Bibel der Armen. Erklären, verdeutlichen ohne Worte – das ist unverzichtbar. Allein in Kamerun sind ein Viertel der Menschen Analphabeten.

„Genau so ist es“, sagt Jesuitenpater Joe Übelmesser über Jesus Mafa: „Man könnte ja fast sagen, biblisch gesprochen, kann denn von Mafa etwas Gutes kommen? Aber da ist etwas Tolles gekommen.“

Mafa-Frauen werden als Wöchnerinnen von der Außenwelt und von Besuchen abgeschirmt. Nachbarn kochen für sie und die Familie. Nichts hat dieser Alltag gemein mit dem Stall von Bethlehem. Doch auch die Geburt Jesu, der Besuch der Hirten geschieht in der Welt der Menschen Nordkameruns auf freiem Feld. In einem Notbehelf aus Holzstämmen und geflochtenen Strohmatten sitzt eine afrikanische Mutter in bodenlangem leuchtend blauen Kleid und hält ihr nacktes Kind in den Armen. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht und in den Augen.

„Was mich am meisten fasziniert ist das Feuerchen, das da vor der Krippe brennt.“ Für Pater Übelmesser liegt die Kraft in den – wie er sagt – phantastischen Bildern in diesen kleinen Parallelen. Feuer brennt, um wilde Tiere und Räuber abzuwehren. Vielleicht ist das Feuer hier ja auch Licht im doppelten Sinn, und damit Kern der Weihnachtsbotschaft. „Ja ich denke, so leben die Menschen, wenn sie wirklich arm sind. So leben die Menschen. Das können sie sich leicht vorstellen, dass es so auch damals in Bethlehem gewesen ist.“
 
Keineswegs ginge es um den künstlerischen Wert der Bilder, unterstreicht der ehemalige Missionsprokurator. Der spiele in der wöchentlichen Katechese keine Rolle. „In diesen Bildern wird trotz der Armut, die da geschildert wird, etwas von Gemeinschaft spürbar, und dass die Menschen sich dort wohl und zu Hause fühlen. Das denke ich, drücken diese Bilder aus; vielleicht auch etwas zu sehr. Vielleicht war die wirkliche Weihnacht in Bethlehem doch etwas nüchterner, rauer und nicht so nostalgisch, wie wir es uns vorstellen.“

Bethlehem 2009? Darfur
Jesu Leben im Alltag darstellen. Das war Aufgabe und Wunsch der Mafa im Jahr 1973. Was die Mafa szenisch festhielten, kann ein Auftrag für andere Kulturen sein. Zumindest eine Frage. Wo liegt Bethlehem? Wo steht die Krippe im Jahr 2009? Welche Szene macht die Weihnachtsbotschaft aktuell? Wo kommt Gott in Armut und Einsamkeit? Pater Joe Übelmesser muss nicht lange nachdenken. „Darfur. Sudan.“

(rv 10.12.2009 bp)

Versandt werden die Poster, Videos und Postkarten von Frankreich aus. Den Katalog können Sie online einsehen unter jesusmafa.com. 







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