Bethlehem liegt in Darfur. Weihnachtsbilder aus Afrika
Eine junge Frau sitzt
vor einer mit Stroh gedeckten Lehmhütte. Ihr Kleid aus blau gebatiktem Stoff ist ihr
von der rechten Schulter gerutscht. Bis vor wenigen Sekunden, so scheint es, hat sie
noch im Kochtopf auf der kleinen Feuerstelle gerührt. Vor ihr steht ein hoch gewachsener
Mann in weißer Tunika. – Ein Bild aus dem afrikanischen Alltag. Und: die erste Szene
in einer Katechesereihe über die Geburt Jesu. Ein Bericht von Birgit Pottler.
Jesus
Mafa heißt der Zyklus. Entstanden ist er im Norden Kameruns. Christliche Gemeinschaften
aus der Volksgruppe der Mafa haben dieses Bilderprojekt 1973 in Angriff genommen.
Sie haben die Erzählungen der Weihnachtsgeschichte und zahlreicher Sonntagsevangelien
in Szene gesetzt, diese wurden fotografiert und anschließend gemalt. Bis heute wurden
sechs Millionen dieser Bilder in 83 Länder versandt.
Die junge Frau vor der
Hütte, der hoch gewachsene Mann in Weiß, Mafa-Christen stellen sich so die Verkündigung
vor. Was für europäische Augen fremd oder primitiv wirken mag, folgt im Grunde keinem
anderen Prinzip als eine Krippenszene aus Oberammergau, dem Grödnertal oder Neapel.
„Genau so ist es“, sagt Pater Joe Übelmesser. Der langjährige Leiter
der Missionsprokur der Jesuiten. „Wie die Maria als junges Mädchen da sitzt; mit
der rechten Hand fast noch mit dem Reis zerkleinern beschäftigt ist, mit der linken
diese grüßende Geste zeigt… Und der Engel wie ein junger Herr, der gerade aus dem
Nachbardorf kommt. So ganz ohne Heiligenschein und ohne alles. Und so wird’s doch
wohl gewesen sein, denn die Heiligenscheine haben wir diesen Figuren erst später aufgesetzt.“ Die
Missionsprokur der Jesuiten hat die Bilder der Mafa in diesem Jahr zur Weihnachtskunst
erklärt, stellt sie vor, verwendet sie für Advents- und Weihnachtsgrüße. Warum? Mission
sei nie nur eine Einbahnstraße, sagt Übelmesser, seit fast 60 Jahren Jesuit. „Fasziniert
haben mich diese Bilder, weil sie die Sache von Weihnachten und andere Szenen aus
dem Leben Jesu etwas verfremdet darstellen, so dass man wieder neu hinsehen muss und
dadurch vielleicht auch selber wieder neu Einsicht gewinnt.“ Entfremdet wirken
die Bilder nur für unsere europäischen Augen. Doch für Menschen in Afrika, speziell
in Nord-Kamerun, wo sie entstanden sind, „ist es deren Welt“. Frei
von Kolonialmächten Die Dorfbevölkerung der Mafa hat 63 Szenen aus dem
Neuen Testament szenisch nachgestellt, von der Verkündung bis zum Pfingstfest entlang
der Lesejahre. Jesus und seine Jünger sind zu Gast in den Rundbauten der Dörfer im
Norden Kameruns oder unter den Wellblechdächern der größeren Siedlungen. Der Weg auf
der Flucht vor Herodes führt durch das Mandara-Gebirge im Grenzland zu Nigeria. Die
Momentaufnahmen kommen als Poster und Bilder in Katechesen zum Einsatz oder im Gottesdienst;
dann gehen Evangelium und Auslegung direkt ineinander über. Christen in Afrika sehen
so das Evangelium mit ihren eigenen Augen und nicht mit den für sie fremden, europäischen
der Kolonialmächte.
Pater Übelmesser: „Ich mein halt, das Evangelium soll
nicht nur in die Sprache dieser Menschen übersetzt werden, sondern auch in ihre Bilderwelt.
Ich denke, dass Bilder mehr prägen als Worte. Ich weiß das doch von mir selbst, wenn
man ein Bild im Kopf hat, das kriegt man so schnell nicht mehr los.“ Übelmesser
selbst hat in Indien studiert und kennt die Realität der Mission aus Arbeit, Ordensleben
und unzähligen Reisen. Und doch: „Ich stelle mir, obwohl gerade ich das besser
wissen müsste, Missionare immer noch so vor, als kämen sie aus dem Westen. Das Bild
ist immer noch in mir drin, und ich denke, die Bilder, welche die Menschen in den
Entwicklungsländern haben, waren so sehr von italienischer Malerei und zum Teil von
Kitsch aus Hongkong geprägt, dass es im Grunde schwer ist, das Evangelium ihrer eigenen
Bilderwelt nahe zu bringen.“
„Es ist dringend notwendig für uns, die Botschaft,
das Leben und die ganze Person Jesu Christi auf afrikanische, künstlerische Weise
zur Sprache zu bringen“, argumentiert Paul Pondy von der Direktion Katholischer Schulen
in Kameruns Hauptstadt Yaounde. „In unserer Sprache, mit den Ausdrucksweisen unseres
Alltags. Andere Kulturkreise haben das vor uns getan, aber wir müssen uns nicht auf
deren Vorstellungen beschränken.“ Ein so genannter „afrikanischer Christus“ nehme
nichts, weder der Historizität noch der Authentizität der Botschaft. Im Gegenteil,
meint der erfahrene Katechet und Lehrer. Ein schwarzer Jesus bereichere die universale
Bedeutung der Botschaft.
Bibel der Armen Wie die großen europäischen
Bilderzyklen zum Beispiel in Assisi sind die Bilder der Mafa auch eine Bibel der Armen.
Erklären, verdeutlichen ohne Worte – das ist unverzichtbar. Allein in Kamerun sind
ein Viertel der Menschen Analphabeten.
„Genau so ist es“, sagt Jesuitenpater
Joe Übelmesser über Jesus Mafa: „Man könnte ja fast sagen, biblisch gesprochen,
kann denn von Mafa etwas Gutes kommen? Aber da ist etwas Tolles gekommen.“
Mafa-Frauen
werden als Wöchnerinnen von der Außenwelt und von Besuchen abgeschirmt. Nachbarn kochen
für sie und die Familie. Nichts hat dieser Alltag gemein mit dem Stall von Bethlehem.
Doch auch die Geburt Jesu, der Besuch der Hirten geschieht in der Welt der Menschen
Nordkameruns auf freiem Feld. In einem Notbehelf aus Holzstämmen und geflochtenen
Strohmatten sitzt eine afrikanische Mutter in bodenlangem leuchtend blauen Kleid und
hält ihr nacktes Kind in den Armen. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht und in den
Augen.
„Was mich am meisten fasziniert ist das Feuerchen, das da vor der
Krippe brennt.“ Für Pater Übelmesser liegt die Kraft in den – wie er sagt – phantastischen
Bildern in diesen kleinen Parallelen. Feuer brennt, um wilde Tiere und Räuber abzuwehren.
Vielleicht ist das Feuer hier ja auch Licht im doppelten Sinn, und damit Kern der
Weihnachtsbotschaft. „Ja ich denke, so leben die Menschen, wenn sie wirklich arm
sind. So leben die Menschen. Das können sie sich leicht vorstellen, dass es so auch
damals in Bethlehem gewesen ist.“ Keineswegs ginge es um den künstlerischen
Wert der Bilder, unterstreicht der ehemalige Missionsprokurator. Der spiele in der
wöchentlichen Katechese keine Rolle. „In diesen Bildern wird trotz der Armut, die
da geschildert wird, etwas von Gemeinschaft spürbar, und dass die Menschen sich dort
wohl und zu Hause fühlen. Das denke ich, drücken diese Bilder aus; vielleicht auch
etwas zu sehr. Vielleicht war die wirkliche Weihnacht in Bethlehem doch etwas nüchterner,
rauer und nicht so nostalgisch, wie wir es uns vorstellen.“
Bethlehem
2009? Darfur Jesu Leben im Alltag darstellen. Das war Aufgabe und Wunsch
der Mafa im Jahr 1973. Was die Mafa szenisch festhielten, kann ein Auftrag für andere
Kulturen sein. Zumindest eine Frage. Wo liegt Bethlehem? Wo steht die Krippe im Jahr
2009? Welche Szene macht die Weihnachtsbotschaft aktuell? Wo kommt Gott in Armut und
Einsamkeit? Pater Joe Übelmesser muss nicht lange nachdenken. „Darfur. Sudan.“
(rv
10.12.2009 bp)
Versandt werden die Poster, Videos und Postkarten von Frankreich
aus. Den Katalog können Sie online einsehen unter jesusmafa.com.