Zwischen der Kirche
und der Regierungspartei „Lega Nord“ herrscht Streit. Im Kern geht es dabei um Aktionen
und Maßnahmen gegen illegale Ausländer, mit denen sich die in Norditalien starke Partei
zu profilieren versucht, und die die Kirche als fremdenfeindlich brandmarkt.
Krach
zwischen Kirche und „Lega Nord“ – neue Runde. Es fing ganz harmlos an diesmal: mit
einem Aufruf des Mailänder Kardinals Dionigi Tettamanzi zu mehr Solidarität, am Fest
des heiligen Ambrosius an diesem Montag. „Ich bin überzeugt: Wer aus Berufung oder
durch ein öffentliches Mandat im Dienst der anderen steht, der muss sich um Nüchternheit
bemühen, um wirklich die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen und um sich um die
Probleme der Personen, der Familien zu kümmern und sie zu lösen. Wir brauchen einen
Aufstand des Moralischen und des Spirituellen in unseren Lebensstilen!“ Typisch Tettamanzi,
protestierte sofort die „Lega Nord“, die in Ministerpräsident Silvio Berlusconis Koalition
das Zünglein an der Waage ist und auch den Innenminister stellt. Der Kardinal rufe
nach Solidarität und denke dabei wieder mal nur an die Illegalen, nicht etwa an verarmte
Einheimische. „Tettamanzi gehört zum innerkirchlichen Flügel der Multikulti-Aktivisten“,
sagt Lega-Politiker Roberto Castelli. „Er unterstützt Priester, die täglich Beleidigungen
gegen die Lega auskotzen, und ist ein klassisches Beispiel eines Links-Klerikalen.“ Tettamanzi
– „Bischof oder Imam?“, so lautet die tendenziöse Schlagzeile der Lega-Zeitung „La
Padania“. „Ich lese „La Padania“ kaum“, behauptet Parteiführer Umberto Bossi, „aber
das Problem ist: Die Leute wollen die Tradition. Solange sich das mit der Integration
verträgt, wird das respektiert. Aber wenn zu viele Leute von draußen kommen, verschwindet
die Tradition.“
Die Polemik über den Kardinal beherrscht die Fernsehnachrichten
zur besten Sendezeit; Politiker der Opposition eilen ihm zu Hilfe. Etwa Christdemokrat
Pier Ferdinando Casini: „Die unverschämten Angriffe auf Tettamanzi sind das Zeichen
eines politischen und moralischen Niedergangs. Wir bauen Krippen auf… aber Jesus ist
ein Ausländer.“ Am Dienstag Abend trifft sich Tettamanzi mit Staatspräsident Giorgio
Napolitano, der sich hinter ihn stellt, und mit dem vatikanischen Regierungschef,
Kardinal Tarcisio Bertone. Der befindet: „Ich empfehle Respekt und Wahrheit – auch
für den Kardinal von Mailand, der ein großer Hirte der Kirche des heiligen Ambrosius
ist. Ob arm oder reich – wir sitzen alle im selben Boot und müssen uns zusammen retten.
Ich danke allen Politikern und Behörden, die sich im Sinn von Kardinal Tettamanzi
für Legalität und gleichzeitig Aufnahmebereitschaft einsetzen!“
Italien unter
Berlusconi ist immer wieder wegen angeblicher oder tatsächlicher Fälle von Fremdenfeindlichkeit
in den Schlagzeilen. In einigen Gemeinden ruft die „Lega Nord“ zu “weißen Weihnachten”
auf; Flugblätter ermuntern die Bürger, illegale Einwanderer in der Gemeinde der Polizei
zu melden. „Wir verteidigen unsere Traditionen, unsere Geschichte, unsere christlichen
Wurzeln – sie werden bedroht vom Islam der Terroristen und vom EU-Beitritt von Ländern
wie der Türkei, die mit Europa nichts zu tun haben…“ So textet ein Werbespot der Lega
– und schließt mit dem Aufruf: „Wenn ihr frei sein wollt und Herren im eigenen Haus,
dann wählt Lega Nord!“
Beobachter aus dem Ausland, aber auch viele Italiener
fragen sich, ob das Land Gefahr läuft, in den Rassismus abzugleiten. Auch aus dem
Vatikan häufen sich ähnliche Warnungen, in der Regel vorgetragen von Erzbischof Vegliò,
dem Leiter des Päpstlichen Migrantenrates, oder auch vom Papst selbst, der kürzlich
bemerkte, selbst Jesus sei ein illegaler Migrant gewesen. Vier Millionen Ausländer
gibt es in Italien ungefähr – das sind 6,7 Prozent der Bevölkerung, eine Zahl, die
nur leicht über dem EU-Durchschnitt liegt. Allerdings: Mehr als die Hälfte der Einwanderer
wohnt im Norden, wo es mehr Fabriken und Arbeitsmöglichkeiten gibt. Im Lega-Land also...