Papst an Roms Mariensäule: „Nein zur Verschmutzung des Geistes“
Benedikt XVI. erinnert
die Massenmedien an ihre ethische Verantwortung. Bei einem Besuch an der Mariensäule
im Herzen von Rom warnte der Papst am Dienstag Abend in eindringlichen Worten vor
einer „Verschmutzung des Geistes“, die „genauso gefährlich“ sei wie die Luftverschmutzung.
Von 1953 an ist es allmählich zum Brauch geworden, dass Päpste am Hochfest
der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria einen Kranz niederlegen – an der Mariensäule,
die an das Immaculata-Dogma von 1854 erinnert. Oft versteckt der Papst bei dieser
Gelegenheit in seinem Gebet an Maria auch eine Botschaft an die Stadt Rom. Und so
war es auch an diesem 8. Dezember, bei Sonnenuntergang und Nieselregen an der „Piazza
di Spagna“.
„Habt keine Angst, Jesus hat das Böse besiegt – wie sehr brauchen
wir diese gute Nachricht! Jeden Tag wird uns doch in Zeitung, Fernsehen und Radio
das Böse erzählt, wiederholt, aufgeblasen; wir gewöhnen uns an die schrecklichsten
Dinge, werden gefühllos und gewissermaßen vergiftet. Das Böse hinterlässt Ablagerungen,
jeden Tag mehr, das Herz verhärtet sich, die Gedanken werden bitter.“
Womöglich
spielte der Papst da auf den so genannten „Fall Marrazzo“ an; der Gouverneur der Hauptstadtregion
Latium, ein Politiker der Demokratischen Partei und früherer Fernsehstar, ist kürzlich
zurückgetreten, nachdem ein Film auftauchte, der ihn mit Transsexuellen zeigt. Alle
Einzelheiten dieses Falles, zu denen auch Kokain, zwei ungeklärte Todesfälle und Erpressungsversuche
gehören, wurden von den italienischen Medien wieder und wieder vorgeführt – einschließlich
ausführlichen Berichten über transsexuelle Prostituierte in der Hauptstadt.
„In
der Stadt leben – und überleben – unsichtbare Personen, die manchmal auf die Seite
eins oder auf den Bildschirm katapultiert werden: ausgenutzt bis zum Letzten, solange
die Nachricht oder das Bild noch einen Rest an Aufmerksamkeit ergattern. Das ist ein
perverser Mechanismus, gegen den leider kaum etwas zu unternehmen ist. Die Stadt verbirgt
zunächst – und breitet dann alles vor der Öffentlichkeit aus. Ohne Mitleid, oder mit
einem falschen Mitleid.“
Eigentlich, so Papst Benedikt, sei jede menschliche
Person „heilig“ und verdiene „den größtmöglichen Respekt“. „Die Stadt sind wir alle,
wir alle tragen zu ihrem moralischen Klima bei, im Herzen eines jeden von uns verläuft
die Grenze zwischen Gut und Böse.“ Keiner dürfe über andere urteilen, sondern jeder
solle zuerst einmal sich selbst bessern.
„Die Massenmedien tendieren dazu,
dass wir uns nur als Zuschauer fühlen – als ob das Böse nur die anderen etwas anginge.
Dabei sind wir in Wirklichkeit Akteure, im Guten wie im Schlechten: Unser Benehmen
hat Einfluß auf andere... Die Verschmutzung des Geistes bringt uns dazu, dass wir
weniger lächeln, angespannt sind, die anderen nicht grüßen, ja nicht einmal ansehen...
Dabei besteht die Stadt aus Gesichtern – aber wir nehmen nur noch die Oberfläche wahr.
Nicht Personen, sondern Körper: Körper ohne Seele, als wären sie Objekte ohne Gesicht.
Austauschbar und konsumierbar.“
Er wolle sich einmal bei allen bedanken, die
„im Stillen, nicht mit Worten, sondern mit der Tat, das evangelische Gesetz der Liebe
verbreiten, das die Welt vorwärtsbringt“. Sie seien viele, „auch hier in Rom“, und
tauchten selten in den Schlagzeilen auf: „Männer und Frauen jeden Alters, die verstanden
haben, dass es nichts bringt, zu verurteilen, zu jammern oder Vorwürfe zu machen,
sondern die auf das Böse mit dem Guten antworten.“
„Das ändert die Dinge –
genauer gesagt: Das ändert die Personen. Das verbessert die Gesellschaft.“
Gianni
Alemanno war dabei an der Mariensäule, der römische Bürgermeister: Auch ihm galt wohl
die Mahnung Benedikts. Die Nacht war schon hereingebrochen, als das Papamobil mit
dem Heiligen Vater an Bord quer durch Rom zum Vatikan zurückfuhr. In den Wohnzimmern
flammten die Fernsehschirme auf.