Bolivien: „Gerechtigkeit braucht einen Rechtsstaat“
Die Kirche Boliviens
steht für Armenhilfe in einem freiheitlichen, nicht ideologischen System. So kommentiert
Michael Meyer, Bolivien-Experte des Bistums Hildesheim, die Wiederwahl Evo Morales
vom vergangenen Sonntag. Für den linksgerichteten Präsidenten stimmten nach inoffiziellen
Prognosen 63 Prozent der Wähler. Auch in beiden Kammern des Parlaments erlangte seine
Bewegung zum Sozialismus (MAS) hohe Mehrheiten. Die Kirche des Landes hatte Morales
in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat
werde sich wohl jetzt noch weiter abkühlen, so Meyer. Er erklärt, warum:
„Erstens
schreibt sich Evo Morales auf die Fahnen, dass er sich einsetzt für die Armen, die
indigene Bevölkerung, für die Arbeitslosen. Die Kirche trägt an sich das Ziel mit,
die Lebensbedingungen dieser Menschen zu verbessern. Allerdings sagt die Kirche: Wir
lassen uns nicht missbrauchen als Verbündete in einem ideologischen System, denn die
Kirche steht für Armeneinsatz in einem freiheitlichen System!“
Die Regierung
habe in den letzten Jahren systematisch versucht, die Kirche aus dem Erziehungs- und
Gesundheitswesen herauszuhalten. Dabei leiste sie dort vorzüglichen Einsatz, so der
Experte. Doch auch mit Kritik an Morales’ Politik hielten sich die Bischöfe des Landes
nicht zurück. Meyer:
„Ein weiterer Punkt, den die Bischofskonferenz des
Landes immer wieder angemahnt hat: Gerechtigkeit braucht einen Rechtsstaat. Seit zwei
Jahren ist das Verfassungsgericht hier außer Kraft gesetzt! Die Kirche hat immer wieder
funktionierende staatliche Organe gefordert. Und dann hat sie auch den Anstieg des
Kokainhandels, von Drogen insgesamt, kritisiert. Die Kirche mahnt: Durch den Anbau
dieser Drogen fährt der bolivianische Staat in eine Sackgasse."
Die Opposition
im Parlament sei einfach zu schwach, klagt der Beobachter. Die Kirche nenne dagegen
die Probleme des Landes beim Namen. Das Gespräch mit der Politik wolle man in jedem
Fall fortführen, hatte der Erzbischof von La Paz, Edmundo Abastoflor Montero, zuletzt
betont. Für diesen Dialog sieht Meyer jedoch schwarz:
„Ich denke, die
Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat werden sich sogar noch verschärfen.
Ich gehe davon aus, dass sich das Klima zwischen Bischofskonferenz, Kirche und Regierung
nicht verbessern wird. Kirche versteht sich auch als prophetische Kraft und wird,
wenn es Dinge anzuklagen gibt, ihre Stimme auch weiter erheben. Andererseits würdigt
die Kirche auch die Dinge, die gut laufen: Zum Beispiel die Stärkung der Rechte der
indigenen Bevölkerung – das ist eben auch eine „gute“ Errungenschaft der Regierung
von Evo Morales.“