Der Bischof von Bozen-Brixen
in Südtirol, Karl Golser, hat sich als Moraltheologe mit dem Thema Schöpfungsverantwortung
auseinandergesetzt. Die Kirche sieht er – aufgrund einer Vielzahl an Dokumenten und
Erklärungen - als Pionierin in Sachen Umweltschutz, doch hat sie ihr gewissensbildendes
Potential noch nicht ganz ausgeschöpft, sagte Bischof Golser in unserem Interview
der Woche:
„Wir haben als Kirche und als Religionen hier eine große Verantwortung,
weil es um eine Erziehungsaufgabe der Menschen geht. Dass sie hingeführt werden, ihr
Verhältnis zur Zeit und zum Raum zu überdenken. Es braucht Zeiten der Ruhe, wo die
Seele nachkommt, und auf der anderen Seite, was den Raum betrifft, solten wir unsere
Mobilität überdenken. Es muss viel mehr regionale Kreisläufe geben, dass wir unser
Nahrungsmittel aus der Region abdecken, dann überhaupt die ganze Frage der Nahrungsmittel
– müssen wir so viel Fleisch essen? Durch die Rinderproduktion wird sehr viel Methan
ausgestoßen. Auch das ist ein Treibhausgas. Wir sollten sehen, dass überflüssiger
Verkehr unterbunden wird, dass man schaut, mit welchen Mitteln wir uns bewegen, wir
müssen von der Straße mehr auf die Schiene gehen, Autos entwickeln, die Treibstoff
sparen, Wasserstoffautos entwickeln. Es sind also viele Möglichkeiten, die hier gegeben
sind, sodass es hier zu einem totalen Umdenken kommt.“
Die katholische
Kirche hat sich in einigen offiziellen Dokumenten und Stellungnahmen zum Thema Schöpfungsverantwortung
geäußert. Kommt das an, oder verhallt das bei den Gläubigen eher ungehört?
„Wenn
ich Europa ansehe, gibt es da sicher einen Unterschied zwischen der Sensibilität in
den nördlichen Teilen, wo sie schon seit längerem da ist, und den südlichen Regionen,
wo das weniger gespürt wird. Da muss noch vieles gemacht werden, auch etwa was die
Pfarreien direkt tun. Ob sie etwa eine Ökobilanz erstellen, ob sie sich auch für Solarenergie
in den eigenen Strukturen einsetzen. Im Vatikan hat ja auch die Audienzhalle ein
Photovoltaikanlage auf dem Dach. Es sind viele Möglichkeiten, und ich glaube auch,
dass das eine Möglichkeit ist der Zusammenarbeit zwischen der Kirche und der zivilen
Welt – eine Synergie von Intiativen.“
Würden Sie sagen: Umweltschutz ist
in der Kirche kein Randthema, sondern ein Muss?
„Das ist es sicher, denn
es geht ja auch darum, dass wir die Schöpfungstheologie vertiefen. Dass wir verstehen,
dass alles auf Christus hin geschaffen ist und in ihm dann sein Ziel hat. Dass wir
diese Beziehung haben nicht in einer pantheistischen Art, sondern zu dem Gott, der
sich als Schöpfer und Erlöser darstellt. Schöpfung und Erlösung gehören einfach zusammen.
Unser erster Artikel des Glaubensbekenntnisses heißt ja schon: Ich glaube an Gott,
den Schöpfer des Himmels und der Erde. Wenn man denkt, dass man Gott in allen Geschöpfen
finden kann – auf diese Grundeinstellung kommt es an. Die Welt darf nicht gesehen
werden als Ressourcenlager, die wir nur zu unseren Zwecken ausbeuten. Sondern der
erste Zugang ist der des Lobes Gottes, dass wir staunen über die Schönheit und dankbar
sind. Wenn man die Psalmen liest – immer wieder wird Gott gepriesen für das, was er
in der Schöpfung getan hat, wie eben dann in der Rettung des Volkes. Auch das Stundengebet,
die Hymnen greifen immer wieder die Schöpfung auf. Das wäre wieder mehr ins Bewusstsein
zu rufen.“ (rv 06.12.2009 gs)