Papst: Klima? Wir müssen eine „Disziplin der Verzichte“ finden
Am Montag beginnt
in Kopenhagen der Weltklimagipfel. Papst Benedikt XVI. hat sich zum Thema Schöpfungsverantwortung
einmal in großer Ausführlichkeit geäußert. Bei einer Begegnung mit dem Klerus der
Diözese Bozen-Brixen am 6. August 2008 sagte Benedikt auf die entsprechende Frage
des Moraltheologen - und heutigen Bischofs - Karl Golser: Sie haben den Punkt
Schöpfung und Erlösung angesprochen, und mir scheint, dass diese unlösliche Verbindung
wieder stärker in Erscheinung treten muss. Die Schöpfungslehre war in den letzten
Jahrzehnten in der Theologie fast verstummt und kaum noch spürbar. Jetzt bemerken
wir die Schäden, die daraus resultieren. Der Erlöser ist der Schöpfer, und wenn wir
Gott nicht in dieser ganzen Größe verkünden – Schöpfer und Erlöser –, dann reduzieren
wir auch die Erlösung. Denn wenn Gott in der Schöpfung nichts zu sagen hat, wenn er
nur irgendwie in einem Bereich der Geschichte anwesend ist, wie soll er dann wirklich
unser ganzes Leben umfassen? Wie soll er dann wirklich Heil für den Menschen als Ganzen
und für die Welt in ihrer Ganzheit geben können? Deswegen ist eine Erneuerung der
Schöpfungslehre und ein neues Verstehen der Untrennbarkeit von Schöpfung und Erlösung
für mich von größter Bedeutung. Wir müssen wieder neu erkennen: Er ist der Creator
Spiritus, die Vernunft, die am Anfang steht und aus der alles kommt und von der
unsere Vernunft ein Funke ist. Und Er ist es – der Schöpfer selbst –, der auch in
die Geschichte hereingetreten ist und in sie hereintreten, in ihr wirken kann, eben
weil er der Gott des Ganzen und nicht nur eines Teiles ist. Wenn wir das erkennen,
dann wird klar, dass Erlösung, dass Christsein, dass ganz einfach christlicher Glaube
immer auch Schöpfungsverantwortung bedeutet. Nun ist ja vor zwei, drei Jahrzehnten
der Vorwurf erhoben worden – ich weiß nicht, wie weit er noch besteht –, dass eigentlich
die Christen die Verantwortlichen für die Zerstörung der Schöpfung seien, denn das
Wort der Genesis – "Macht euch die Erde untertan" – habe zu jener Arroganz gegenüber
der Schöpfung geführt, deren Auswirkungen wir heute spüren. Ich glaube, diesen Vorwurf
müssen wir in seiner ganzen Falschheit neu durchschauen lernen: Solange die Welt als
Schöpfung Gottes begriffen wurde, ist auch der Auftrag, sie "untertan" zu machen,
nicht als Auftrag der Versklavung der Schöpfung verstanden worden, sondern als Auftrag,
Hüter der Schöpfung zu sein und in ihr ihre Gaben zu entfalten; am Werk Gottes, an
der Evolution, die er in die Welt hineingelegt hat, selbst tätig mitzuarbeiten, und
zwar so, dass die Gaben der Schöpfung selbst zur Geltung kommen und nicht unterdrückt
und zerstört werden. Wenn wir anschauen, was im Umkreis der Mönchsklöster gewachsen
ist, wie dort sozusagen kleine Paradiese, Oasen der Schöpfung entstanden sind und
noch entstehen, dann wird sichtbar, dass dies nicht nur Worte sind, sondern wo das
Wort vom Schöpfer richtig verstanden worden ist, wo Leben mit dem erlösenden Schöpfer
da war, da hat man sich gemüht, die Schöpfung zu erlösen und nicht sie zu zerstören.
Und in diesen Zusammenhang gehört ja Römer 8 herein, wo gesagt wird, dass die Schöpfung
leidet und stöhnt unter der Unterworfenheit, in der sie sich befindet, und dass sie
auf das Auftreten der Kinder Gottes wartet: dass sie sich dann erlöst fühlen wird,
wenn Geschöpfe, wenn Menschen kommen, die Gottes Kinder sind und die von Gott her
mit ihr umgehen. Und das, glaube ich, ist genau das, was wir heute als Realität feststellen
können: Die Schöpfung stöhnt – wir spüren es, wir hören es förmlich –, und sie wartet
auf Menschen, die sie von Gott her anschauen. Der brutale Verbrauch der Schöpfung
setzt dort ein, wo es keinen Gott gibt, wo Materie nur noch Material ist für uns,
wo wir selbst die letzten Instanzen sind, wo das Ganze uns einfach gehört und wir
es für uns verbrauchen. Und der Verbrauch der Schöpfung setzt dort ein, wo wir keine
Instanz mehr über uns haben, sondern nur noch uns selber wollen; er setzt dort ein,
wo es keine Dimension des Lebens über den Tod hinaus mehr gibt, wo wir in diesem Leben
sozusagen das Ganze an uns reißen und das Leben so voll besitzen müssen wie nur möglich,
wo wir alles haben müssen, was überhaupt zu haben ist. Und so können, glaube ich,
wirkliche und wirksame Instanzen gegen den Verbrauch und die Zerstörung der Schöpfung
nur dort gebaut und entwickelt, verstanden und gelebt werden, wo Schöpfung von Gott
her gesehen wird; wo das Leben von Gott her gesehen wird und größere Dimensionen hat
– eine Verantwortung vor Gott – und einmal von Gott ganz zugeteilt und nicht von uns
genommen wird, sondern indem wir es geben, empfangen wir das Leben. Wir müssen,
meine ich, mit allen Mitteln, die wir haben, versuchen, auf solche Weise in der Öffentlichkeit
den Glauben zu Gehör zu bringen, gerade an den Stellen, wo die Sensibilität dafür
da ist. Und ich denke, das Spüren, dass uns die Welt vielleicht wegrutscht – weil
wir sie selber wegziehen –, das Bedrängtwerden durch die Probleme der Schöpfung ist
eine solche Gelegenheit, wo unser Glaube öffentlich reden und sich als Instanz, die
weiterführt, zur Geltung bringen kann. Denn es geht ja nicht nur darum, dass wir Techniken
der Schadenvermeidung finden, so wichtig es auch ist, dass wir alternative Energien
finden und vieles mehr. Doch alles das wird nicht ausreichen, wenn wir nicht selbst
einen neuen Lebensstil finden, eine Disziplin auch der Verzichte, eine Disziplin der
Anerkennung der anderen, denen die Schöpfung genauso gehört wie uns, die wir leichter
über sie verfügen können; eine Disziplin der Verantwortung vor der Zukunft der anderen
und unserer eigenen Zukunft, weil es Verantwortung vor dem ist, der unser Richter
ist und als Richter unser Retter, aber eben wirklich auch unser Richter. So glaube
ich, dass wir jeweils die beiden Dimensionen – Schöpfung und Erlösung, Leben und ewiges
Leben, Verantwortung für die Schöpfung und Verantwortung vor den anderen und vor der
Zukunft – ineinander bringen müssen und dass es unsere Aufgabe ist, so verständlich
und nachdrücklich in die Öffentlichkeit hineinzureden. Zugleich müssen wir, um Gehör
zu finden, mit unserem eigenen Beispiel, mit unserem eigenen Lebensstil zeigen, dass
es eine Botschaft ist, die wir selber glauben und die man leben kann. Und wir wollen
den Herrn bitten, dass er uns allen hilft, selber den Glauben, die Verantwortung des
Glaubens so zu leben, dass unser Lebensstil Zeugnis ist, und dann so zu reden, dass
unser Wort glaubhaft den Glauben als Wegweisung in diese unsere Zeit hineinträgt. (rv
06.12.2009 gs)