Die russisch-orthodoxe
Kirche misst der angekündigten Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen
Russland und dem Vatikan keine große Bedeutung bei. Der Sekretär des kirchlichen Außenamtes,
Erzpriester Igor Vyzhanov, bewertete diesen Schritt am Freitag als eher nebensächlich
für das Verhältnis des orthodoxen Moskauer Patriarchats zur katholischen Kirche. De
facto hätten Russland und der Heilige Stuhl bereits seit vielen Jahren vollwertige
Beziehungen unterhalten. Das Moskauer Patriarchat erhoffe sich von der Aufwertung
der diplomatischen Beziehungen dennoch einen positiven Beitrag zur Entwicklung der
zwischenkirchlichen Beziehungen, so Vyzhanov. Am Donnerstagabend hatte Papst Benedikt
XVI. den russischen Präsidenten Dimitri Medwedew in Audienz empfangen. Sie kamen überein,
die seit 1990 bestehenden Arbeitskontakte aufzustocken und offiziell Botschafter auszutauschen.
Die
Katholiken in der russischen Föderation erhoffen sich hingegen viel von dieser Abmachung:
Mehr Diplomatie zwischen den beiden Staaten könnte durchaus der katholischen Kirche
in Russland zugute kommen. Das meint der Bischof von Novosibirsk, Joseph Werth, im
Gespräch mit Radio Vatikan.
„Soweit ich weiß, hatte der Vatikan mit dem
russischen Reich auch vor der kommunistischen Revolution 1917 volle diplomatische
Beziehungen. Und diese Beziehungen werden jetzt wieder hergestellt. Das ist wirklich
ein großer Fortschritt. Das zeigt an erster Stelle, dass der Staat Russland zur katholischen
Kirche und zum Heiligen Stuhl positiv steht. Das kommt auch uns Katholiken in Russland
zugute. Ich hoffe, dass die orthodoxe Kirche das nicht beneiden wird...“
Während
sich die Kirche Europas im 20. Jahrhundert weiterentwickelte, wurden in Russland religiöse
und ökumenische Bemühungen über Jahrzehnte hinweg unterdrückt. Auch deshalb sei die
Annäherung der orthodoxen und katholischen Kirche bisher teilweise schwierig verlaufen.
Werth:
„Man muss wissen, dass wir 70 Jahre in einem Land lebten, in dem
alle Konfessionen verfolgt wurden. Man durfte in dieser Zeit keine offiziellen Beziehungen
untereinander haben. Derzeit hat man in Europa, in der „anderen freien Welt“, ökumenische
Beziehungen aufgebaut. Das durfte man bei uns nicht. Wenn diese Beziehungen aufgebaut
wurden, dann ging das von der Partei aus, um dem Westen zu zeigen, dass bei uns Religionsfreiheit
herrscht. Jetzt fangen wir neu an, und die ersten Schritte sind ja immer die schwierigsten
Schritte. Deshalb hat es in den 90er Jahren zuletzt viele Schwierigkeiten und Probleme
gegeben zwischen der orthodoxen und katholischen Kirche. In den letzten Jahren ist
es aber doch besser geworden.“
Im Präsidentenrat für religiöse Angelegenheiten
sei in den letzten Jahren kein Bischof mehr vertreten gewesen, bedauert Werth. Und
für volle religiöse Freiheit seien auch sichtbare Orte des Glaubens wichtig – die
Kirchen, die teilweise immer noch in staatlicher Hand seien.
„Wir Katholiken
sind eine Minderheit im Lande und da müsste doch der Staat besonders auf uns schauen
und uns helfen. Alleine schaffen wir es nicht. Deshalb wünsche ich mir, dass der Staat
uns etwa bei verschiedenen bürokratischen Dingen hilft, es möglich macht, dass Priester
und Ordensleute länger in unserem Land bleiben dürfen und die Gläubigen betreuen können.
Und dann wünsche ich mir, dass uns unsere alten Kirchen wieder zurückgegeben werden,
damit wir spüren, dass wir religiöse Freiheit im Land voll und ganz erleben können.“