Mit einem Heiligen Jahr feiert die Kirche Vietnams derzeit ihr 350-jähriges Bestehen.
Im Schein hunderttausender Kerzen begannen die Festlichkeiten am vergangenen Montag
in der Pfarrei So Kien des Erzbistums Hanoi. Dort ließ Papst Alexander VII. im Jahr
1659 die erste kirchliche Struktur Vietnams einrichten. Bischöfe und Gläubige gedachten
den vietnamesischen Märtyrern und Missionaren, die mit ihrem Einsatz den Grundstein
der katholischen Kirche des Landes legten. Die vietnamesische Ordensschwester Elisabeth
war dabei und hat Radio Vatikan ihre Eindrücke geschildert: „Es
war grandios, denn alle Diözesen haben mit vielen Tänzen und Theaterstücken teilgenommen,
die die Christenverfolgung erzählten. Für die Kirche von Vietnam war das ein großes
Fest, das sorgfältig vorbereitet wurde. Wir wollten den Blick in die Vergangenheit
richten, um zu verstehen, wie das Christentum unter vielen Schwierigkeiten und Leiden
bis zu uns gekommen ist. Drei Jahrhunderte lang hat es Verfolgungen gegeben, wie bei
den ersten christlichen Kirchen in römischer Zeit.“ Die katholische
Kirche gewann zur Zeit des französischen Protektorats an Kraft. Doch nach der Teilung
des Landes und nach Ende des Vietnamkrieges setzte das kommunistische Regime die Unterdrückung
von Katholiken fort: Orden wurden verboten, ausländische Priester des Landes verwiesen,
Kirchen, Klöster, soziale Einrichtungen und Schulen geschlossen. Auf diese bewegte
Geschichte beginnen Staat und Kirche in Vietnam heute gemeinsam zurückzublicken. Denn
bei der Eröffnung des Heiligen Jahres waren auch Regierungsvertreter anwesend. Schwester
Elisabeth: „Nach den kurzen Grußworten des Erzbischofs von Saigon
bei der Eröffnungsfeier des Heiligen Jahres wurden Glückwunsche von der Regierung
überbracht. Das war wunderbar! Man muss sagen, dass sich das kommunistische Regime
sehr verändert hat. Es hat für uns insgesamt viele Lockerungen gegeben. Es gibt natürlich
immer noch Schwierigkeiten, zum Beispiel sind immer viele Soldaten dabei, aber die
Katholiken können sich zumindest äußern.“ Heute zählt die vietnamesische
Ortskirche etwa acht Millionen Katholiken in 26 Bistümern – das ist ein Grund zum
Feiern. Und dennoch: Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in der Sozialistischen
Volksrepublik ist ohne Zweifel verbesserungswürdig. Es gebe immer noch „gravierende
Streitpunkte“ zwischen Staat und Kirche, sagt der deutsche Jesuitenpater Stefan Täubner,
guter Kenner des Landes.
Täubner: „Zum Beispiel, dass die katholische
Kirche keine eigene Veröffentlichung in Vietnam haben darf, dass die katholische Kirche
keine Schulen führen kann – und sie möchten doch eigentlich gerne diesen Beitrag zur
Erziehung im Land leisten; das ist bisher nicht möglich. Nach wie vor gibt es Streit
um bestimmte Grundstücke und in Hanoi besonders um die frühere Botschaft des Vatikans
neben der Kathedrale. Das hat zu erheblichen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit
in Hanoi geführt – mit katholischen Demonstrationen, mit Polizeieinsatz. Es war eine
ziemlich schwierige Zeit und eine schwierige Verwicklung.“ Soziale Einrichtungen
der Kirche sind ab dem Jahr 2000 zwar wieder erlaubt. Den Pfarreien und Orden werde
jedoch immer noch ein „Maulkorb“ angelegt, so der Jesuit. Bürokratische Genehmigungen
und die staatliche Kontrolle der Presse blockierten die katholische Öffentlichkeitsarbeit.
Als positives Signal wertet Täubner, seit 1996 Seelsorger für vietnamesische Migranten
im Erzbistum Berlin, die zunehmende Vernetzung der vietnamesischen Kirche mit dem
Ausland. „Ich würde sagen, die Beziehungen sind wesentlich besser geworden
als früher, wo man als politischer Flüchtling aus Vietnam doch recht abgeschlossen
blieb vom Heimatland. Das hat sich jetzt geändert. Zum Beispiel waren jetzt im Juni
alle vietnamesischen Bischöfe zum Ad-limina-Besuch in Rom beim Papst. Anschließend
waren über zehn dieser Bischöfe auch in Deutschland. Sie haben natürlich die Missionswerke
besucht, aber auch die verschiedenen Gemeinden, um mit ihnen Gottesdienst zu feiern.
Das ist eine schöne Entwicklung, das hätte es in dieser Form vor zehn Jahren noch
nicht gegeben.“
Auch der inzwischen ständige Kontakt zwischen Vatikan und
vietnamesischer Regierung sei begrüßenswert, so Täubner. So hatte der vietnamesische
Ministerpräsident Nguyễn Tấn Dũng Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 etwa einen Besuch
abgestattet. In einem Glückwunschschreiben zum 350-jährigen Kirchenjubiläum an die
vietnamesischen Bischöfe rief Papst Benedikt jetzt zu „vertiefter Evangelisierung“
in dem Land auf. Vietnams Kirche solle in dem Jubeljahr „der Versöhnung mit Gott und
dem Nächsten“ in sich gehen und „für alle Fehler in Vergangenheit und Gegenwart“ um
Verzeihung bitten, so der Papst. Das Heilige Jahr endet am Dreikönigsfest 2011 im
Marienheiligtum in La Vang. (rv 26.11.2009 pr)