2009-11-30 15:19:19

Experte Czerny: Aids „an vielen Fronten“ bekämpfen


RealAudioMP3 Südlich der Sahara leben mehr als zwei Drittel aller von HIV betroffenen Menschen. Im Jahr 2007 starben dort mehr als drei Viertel aller Aids-Infizierten weltweit. „HIV ist ein Virus, der das Immunsystem schwächt und zerstört. Aber Aids ist auch eine kulturelle, familiäre, kommunale und spirituelle Realität. Der Kampf gegen Aids muss an all diesen Fronten ausgetragen werden.“ Michael Czerny ist Direktor des afrikanischen Jesuitennetzwerkes gegen Aids (AJAN). Anlässlich des Weltaidstages am 1. Dezember sendet Radio Vatikan ein Gespräch mit dem Experten.

Als „Krankheit der Armut und des Krieges“ beschrieb Czerny Aids in einem Interview. In 30 Ländern des afrikanischen Kontinents hilft das Jesuitennetzwerk „AJAN“ seit sieben Jahren HIV-infizierten Menschen. Um das Virus in Schach zu halten, gibt es inzwischen Medikamente. Doch um Aids als „kultureller Realität“ zu begegnen, müsse das jahrhunderte lang gebeutelte Afrika zuerst Gerechtigkeit erfahren, so der Jesuit. Das AJAN-Netzwerk setzt deshalb auf Hilfsprojekte, die Menschen vielfältig und langfristig unterstützen.

„In Togo gibt es zum Beispiel eine Art integriertes Multi-Service-Center. Da können die Menschen verschiedene Leistungen in Anspruch nehmen. Es gibt dort auch ein Ausbildungszentrum, so dass die Menschen nicht sagen müssen, dass sie wegen Aids dorthin kommen. Man geht auf ihre verschiedenen Bedürfnisse ein. In Burundi dagegen haben wir sozusagen ein umgekehrtes Hilfsmodell. Dort gibt es kein Zentrum, sondern lediglich ein kleines Büro. Von dort aus fahren unsere Leute in zehn abgelegene und schwer erreichbare Dörfer im Umland und leisten individuelle Hilfe. Das ist ein komplett dezentralisiertes Projekt.“

Mit dem Liefern von Medikamenten und Kondomen sei es nicht getan, so Czerny. Aids sei schließlich kein „technisches“ Problem, das mit Symptombekämpfung abgetan werden könne. Für tatsächliche „Heilung,“ so Czerny, seien soziale Nähe und Hilfe im Alltag viel wichtiger.

„Nur zehn Prozent der Infizierten können sich Aids-Medikamente ab und zu leisten. Es gibt also neunzig Prozent HIV-positiver Menschen, die vielfältige pastorale, menschliche und materielle Hilfe benötigen, die eine Gefahr für andere sein können. Die Pharmafirmen und die Geldgeber dieser Programme interessiert das aber herzlich wenig.“

Oftmals würden Infizierte sozial ausgegrenzt, so der Fachmann. Ganz praktische Probleme müssten bewältigt werden: Viele Kranke könnten wegen Mangelernährung die starken Aids-Medikamente gar nicht erst einnehmen, das Busticket zum Krankenhaus nicht bezahlen oder blieben von Informationen über Aids und Hilfsangebote abgeschnitten. Schnelle Lösungen seien deshalb nicht realistisch. Czerny:

„Die Herausforderung ist, einen langfristigen Einsatz zu leisten. Wir sehen Aids als ein Jahrhundertprojekt. Und wir werden notfalls ein Jahrhundert lang gegen diese Krankheit kämpfen. Wir werden nicht weglaufen, weil etwas anderes dringlicher erscheint. Es gibt noch so viele Bedürftige, die daran leiden. Wir bleiben dran, auch wenn es noch Generationen braucht, um diesen Menschen zu helfen.“

Mit besonders hohem Tempo steigen derzeit auch die Infektionen in Osteuropa sowie in Süd-Ostasien. Aids bekomme in Öffentlichkeit und Medien aber insgesamt immer weniger Aufmerksamkeit, warnt Czerny. Außerdem werde in den oft polemischen Diskussionen das komplexe Problem stark vereinfacht. Das sei zum Beispiel in der Kondom-Debatte während der letzten Papstreise geschehen. Czerny:

„Das Kondom ist in der Debatte konkretes Objekt und Symbol. Deshalb ist es leicht, das ganze Thema daran aufzuhängen. Aber in Afrika ist das Kondom lange nicht alles. Und mein Eindruck ist, dass sich die aufgebrachten Medien weniger an dem Kondom, als vielmehr daran stoßen, dass es in der Sexualität nicht nur „Ja“ und Konsens gibt. Es gibt Dinge, die man tun und lassen sollte. Und schon diese einfache Möglichkeit, dass Kultur, Gesellschaft, Religion und Familie da Mitspracherecht haben sollten, wird als inakzeptabel begriffen. In Afrika wird die Position des Papstes dagegen geschätzt. Denn die Gemeinschaft, in der wir leben, hängt von unserer eigenen Weisheit und Disziplin ab.“ 
„Die Kirche kämpft ohne Pause gegen Aids; ich rufe zu Gebet und konkretem Handeln auf, damit alle Aids-Kranken den Trost und die Hoffnung des Herrn erfahren. Ich hoffe, dass es mit vereinten Kräften eines Tages gelingt, diese Krankheit zu stoppen und auszurotten!“ - so die Worte Papst Benedikts zum Welt-Aids-Tag. Die Immunschwächekrankheit wurde in den achtziger Jahren bekannt, und der erste Welt-Aids-Tag von den Vereinten Nationen für den 1. Dezember 1988 ausgerufen. Seitdem finden an diesem Tag jährlich weltweit Informations- und Solidaritätsveranstaltungen statt.
(rv/weltaidstag 29.11.2009 pr)







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