2009-11-26 16:04:12

Vatikan: Hofmann, „Dialog mit der Kunst fortsetzen“


RealAudioMP3 Wozu sind die gewaltigen Kunstschätze der Kirche heute da? Dienen sie bloß noch der Erbauung gebildeter Schichten, die etwas anfangen können mit alter Kunst? Welchen Stellenwert haben diese Werke für heutiges Kunstschaffen? Darüber sprechen an diesem Donnerstag Fachleute bei einem Studientag im Vatikan. Anlass ist der 20. Geburtstag der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche. Papst Johannes Paul II. wollte mit dieser Einrichtung die weltweit anzutreffenden Kulturgüter der Kirche „zum Sprechen bringen“, erklärt im Interview mit uns Bischof Friedhelm Hofmann von Würzburg. Der promovierte Kunsthistoriker ist Referent bei der Tagung.

„Dem Papst ging es darum, die weltweit anzutreffenden Kulturgüter der Kirche für unsere heutige Zeit zum Sprechen zu bringen. Zum einen ging es dem Papst und geht es uns heute darum, dass die Inkulturation des Glaubens die vorhandene Kultur nicht zerstört, sondern die eigenen Wurzeln weiter entwicklungsfähig macht. Das heißt, dass auch unsere Kultur mit der originären Kultur im Land eine Verbindung eingeht. Zum zweiten geht es darum, diesen großen historischen Kulturschatz bewusst zu machen auf seine geistliche Dimension hin, und das dritte Anliegen ist, die zeitgenössische Kultur mit der Kirche in einen inneren Einklang zu bringen und zu sehen, wie Kirche sich heute auch in den zeitgenössischen Medien, in den kulturellen Bewegungen wieder finden und artikulieren kann.“

Das ist eine doppelte Stoßrichtung – Bewahrung, aber auch Öffnung. Wie kann das konkret etwa in Deutschland aussehen? 
„Es gibt in Deutschland schon einige Versuche, diesen Kontakt mit der zeitgenössischen Kultur wahrzunehmen. In Preisverleihungen etwa oder in großen Ausstellungen oder Kongressen. Kirche versucht auf verschiedenen Wegen Kontakte zu den Medienschaffenden, zu den Künstlern unserer Zeit zu gewinnen, und zwar nicht in einer Art Bevormundung, sondern in einem Aug-in-Aug-Dialog, sodass sowohl die Eigenständigkeit der Kunst als auch die Unantastbarkeit des Glaubens gesehen wird. Aber es müssen gar keine Gräben aufgerissen werden, sondern wir haben genügend Möglichkeiten, auch das Gemeinsame unseres Tuns in den Blick zu nehmen und von da her etwas Wichtiges für den Menschen zu erreichen. Denn für mich sind die zeitgenössischen Künstler Seismographen der Zeit, sie heben das ins Bewusstsein, was sich an Veränderungen, an Entwicklungen in der Gesellschaft abspielt. Zum anderen kann die Kirche auf viele aufgeworfene Fragen aus der Offenbarung her Antworten geben. Wenn man das einmal versteht als eine Bereicherung, dann ist auch nicht das Tischtuch zerschnitten, sondern dann ist auch die Möglichkeit gegeben, miteinander zu kommunizieren.“

WENN man das als Bereicherung versteht... Gegenfrage: Wie ernst nehmen denn die Künstler kirchliche Gesprächspartner? 
„Ich denke schon, dass sie ernst genommen werden. Ich habe auch öfter festgestellt bei verschiedenen Maßnahmen, die ich begleiten dufte, dass die Künstler unserer Zeit ein Interesse am Dialog mit der Kirche haben. Sie wollen ernst genommen werden, und sie müssen in ihrer Eigenständigkeit auch ernst genommen werden. Aber dann ist es möglich, in einen Dialog einzutreten, der uns etwa die Sinnfragen bewusst macht, die sich jeder Mensch stellt und die bei den Künstlern eine besondere Rolle spielen. Die Künstler sind bereit. Kirche muss fähige Leute haben, die einmal auch etwas von diesem Metier verstehen, dann aber auch ihren Glauben so vermitteln können, dass Künstler wirklich wissen, was will Kirche denn von uns oder was wird durch solche Gespräche für das künstlerische Schaffen fruchtbar.“

Es laufen im Moment verschiedene Initiativen, das Katholische in der Kunst erneut zu betonen. Was halten Sie als deutscher „Kunstbischof“ davon? 
„Man muss, glaube ich, auch als katholischer Christ erkennen, dass die Künstler frei sind. Wir können nicht ein katholisches Gerüst gleichsam als Skelett vorschlagen, sondern wir müssen unsere Positionen überzeugend mit den Künstlern besprechen, sodass die Freiheit, die Autonomie des Künstlers gewahrt bleibt. Im Mittelalter, als sich die wunderbare Symbiose von Glaube und Schaffen der Künstler miteinander verband, war für den Künstler das Eingebettet-Sein in der Kirche eine Klarheit und nicht angefochten. Das ist heute anders. Wir müssen als Kirche missionarisch sein, wir müssen werbend sein, aber wir können nicht indoktrinär vorgehen. Das würde schon von vornherein den Dialog unterbinden.“

Das wurde auch deutlich bei der jüngsten Begegnung Papst Benedikts mit zeitgenössischen Künstlern in der Sixtinischen Kapelle. Der Papst hat den Kunstschaffenden, die aus unterschiedlichsten Sparten kamen und durchaus nicht nur dem Christentum angehören, eine Meditation zum Thema Schönheit präsentiert. Nun ist Schönheit eine Kategorie, die in der zeitgenössischen Kunst etwas Zufälliges hat, vielleicht abgesehen von der Architektur, in der meist auch das Repräsentative zum Zug kommt. Künstler begeben sich heute nicht mehr gezielt, wie das in früheren Zeiten der Fall war, auf die Suche nach Schönheit – die ergibt sich, wenn, dann nebenbei. Was ist Ihre Beobachtung dazu? 
„Da gibt es unterschiedliche Entwicklungen: Man hat lange auch die Darstellung des Bösen, des Erschreckenden, des Holocaust als eine Möglichkeit gesehen, das Empfinden des Menschen ins Bild zu heben. Es gibt aber parallel auch eine Entwicklung, die bewusst das Schöne zum Thema hat. Ich denke etwa an Heinz Mack in Mönchengladbach. Er ist ein Künstler, der Schönheit als ein wesentliches Kriterium der zeitgenössischen Kunst hervorhebt und in seinen Werken auch deutlich macht. Es ist aber auch Gerhard Richter zu nennen, der in seinen Bildern bewusst in der Suche nach dem Wahren, nach dem Schönen auch eine Harmonie sichtbar macht, die anspricht, aufruft, nicht langweilig ist, nicht etwas übertüncht, sondern die vom inneren Wesen des Schönen zielt, auf das hin der Mensch meines Erachtens auch angelegt ist. Denn wenn wir von der eschatologischen Vollendung sprechen, schauen wir auf ein neues himmlisches Jerusalem, das in sich alle Sehnsüchte des Menschen nach Heilem, nach dem Schönen verkörpert. Nur leben wir noch nicht in diesem Endzustand, er ist immer erst im Kommen, in diesem berühmten theologischen ,schon, aber noch nicht’. Wir sind noch unterwegs auf dieses Ziel hin, aber dieses Ziel darf und sollte auch in der zeitgenössischen Kunst aufleuchten, sodass die Kategorie des Schönen nicht nur etwas Zufälliges ist, sondern etwas, worauf hin der Mensch angelegt ist, und was in einzelnen Werken aufblitzen kann und soll.“

Ziel des Treffens zwischen Papst und Künstlern war es, dieses alte Scheidungspaar Kunst und Kirche wieder miteinander Gespräch kommen zu lassen. Nun ist es mit einem solchen Treffen plus Empfang in der Sixtina ja nicht getan. Was muss oder kann jetzt von Seiten des Heiligen Stuhles geschehen, damit dieser jetzt möglicherweise wieder begonnene Dialog weitergeht? 
„Der Heilige Vater hat ja in seiner Rede in der Sixtinischen Kapelle bewusst auch diese thomistische Grundlage des Wahren, Guten und Schönen angesprochen. Ich denke, das wird nicht so ohne weiteres von allen akzeptiert werden. Aber es ist jetzt wirklich an der Zeit, diesen Dialog fortzusetzen. Ich könnte mir vorstellen, dass man zum einen in Rom mit dem Heiligen Vater zusammen ein oder zwei Tage eines solchen Dialogs aufbaut, sodass auch die Künstler sich ins Wort bringen und erklären können, wo sie ihre Probleme oder auch Hoffnungen auf die Kirche haben. Zum anderen sollte Kirche auch vertreten sein auf großen internationalen Ausstellungen, etwa in Venedig – und bisher haben wir das auch getan, etwa bei der Weltausstellung in Hannover. Kirche braucht auch Theologen, die sich in den künstlerischen Disziplinen auskennen, die das Gespräch vor Ort mit den Künstlern führen, die aber auch in der Lage sind, wie in Rom in einem Brennpunkt der Weltkirche diese verschiedenen künstlerischen Kräfte zusammenzuführen und hier vor Ort über entscheidende Fragen zu diskutieren.“

Sie haben den geplanten Pavillon des Heiligen Stuhles bei der nächsten Biennale in Venedig 2011 angesprochen. Das ist ein Vorhaben, das auf großes Interesse stößt, gerade auch in Deutschland. Setzt sich der Heilige Stuhl da nicht auch einer Gefahr aus? Was ist zu vermeiden, wenn man ein solches Projekt in Angriff nimmt? 
„Man darf nicht einer bestimmten zeitgenössischen Strömung nachkommen. Sondern Kirche muss von ihren eigenen starken Glaubenswurzeln her in einer zeitgenössischen Umsetzung das vermitteln, was wir an Aufgabenstellung zu bewältigen haben. Da sind keine ,Atelierkriege’ in der Kirche zu führen, sondern die zeitgenössische Umsetzung dessen wahrzunehmen, was Kirche als Auftrag von Christus übernommen hat. Wenn Kirche aufgeschlossen ist für die zeitgenössische Form, für die Sprache unserer Zeit, vergibt sie sich nichts. Wenn sie allerdings eine ganz bestimmte Richtung als die allein gültige hinstellen wollte, würde sie sich der Gefahr aussetzen, von anderen sehr stark kritisiert zu werden.“

(rv 26.11.2009 gs)







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