An diesem Donnerstag
wird nach einigem Hin und Her endlich der Hessische Kulturpreis verliehen. Die Verleihung
war für Mai geplant; vier namhafte Vertreter aus Islam, Judentum sowie evangelischer
und katholischer Kirche sollten für ihre Verdienste im interreligiösen Dialog ausgezeichnet
werden. Doch genau am Dialog haperte es scheinbar. Es kam zum Streit, als der auserkorene
Preisträger und muslimische Schriftsteller, Navid Kermani, eine barocke Kreuzigungsdarstellung
in einem Artikel für die Neue Züricher Zeitung als „Gotteslästerung“ bezeichnete.
Danach werteten zwei der übrigen Preisträger, der Mainzer Kardinal Karl Lehman und
der ehemalige Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Peter Steinacker, diese Äußerungen
als Abbruch des Dialogs. Eine gemeinsame Entgegennahme der Auszeichnung mit Kermani
käme nicht mehr in Frage. Dann wurden aber doch noch Gespräche geführt. Das Resultat:
alle vier – neben Lehmann, Steinacker und Kermani noch der Vizepräsident des Zentralrats
der Juden, Salomon Korn – bekommen den hessischen Kulturpreis.
Ist der Kulturpreis
als Auszeichnung für den Dialog überhaupt noch glaubwürdig? Ja, meint Pater Christian
Troll. Der Theologe und Islamwissenschaftler ist Berater der Christlich-islamischen
Begegnungs- und Dokumentationsstelle, CIBEDO, bei der Deutschen Bischofskonferenz.
Trotz des Debakels vom Frühjahr sei die Preisverleihung keine verpatzte Chance, meint
Troll. Der Dialog der Religionen in Deutschland sei eben langwierig und nicht immer
bequem:
„Er wird viele Jahrzehnte dauern. Da gibt es Ereignisse, die uns
aufrütteln, die uns neue Fragen stellen, die vielleicht auch Ärgerliches bringen,
aber in jedem Fall sehe ich das als einen Lernprozess und in dem Sinne als etwas sehr
Positives.“
Die sehr persönliche und meditative Annäherung an das Kreuz
von Schriftsteller Navid Kermani hatte provoziert: In seiner Bildmeditation über die
Kreuzigungsdarstellung des Barockmalers Guido Reni in der Lucinakirche in Rom fielen
die Worte „Gotteslästerung“ und „Bilderverehrung“. Das ging den Kirchenvertretern
Lehman und Steinacker zu weit. Kermani trete den Dialog mit Füßen. Troll sieht das
anders: „Also, ich würde sagen, Kermani sagt: Ich bin eigentlich immer schon
im Dialog gewesen mittels der deutschen Sprache und ich bin Deutscher, der aber als
Muslim geboren wurde und sich als Muslim versteht. Mein ganzes Werk ist Dialog, kultureller,
interkultureller Dialog. Denn ich versuche, als Muslim, der eben zweisprachig ist,
einen Beitrag zu leisten, um die heutige deutsche Kultur weiterzuentwickeln, zu der
eben das islamische Element dazu gehört.“
Der Streit um Kermani ist in
eine breitere Debatte um die Sichtbarkeit religiöser Symbole einzuordnen, meint Troll.
Egal ob Kreuze oder Minarette – die Empfindlichkeiten sind hier groß. Viereinhalb
Millionen Muslime leben mittlerweile in Deutschland. Und das habe kulturelle Konsequenzen:
„Und eine ist die: Wie gestalten wir den öffentlichen Raum, wenn die Gesellschaft
sich kulturell und religiös aus so vielen Elementen zusammensetzt? Wie weit kann man
dann nur von einer kulturellen Tradition her den Raum gestalten? Und da wird immer
stärker die Forderung kommen: Haltet den öffentlichen Raum frei von jeglichen religiösen
Symbolen. Oder es wird ein Nachdenken darüber stattfinden, wie man denn diese Räume
religiös gestalten kann, aber multireligiös, und das hieße dann statt des Kreuzes
eine Reihe von religiösen Symbolen, also neben dem Kreuz vielleicht ein Halbmond und
der Davidsstern; ich weiß es nicht, aber in diese Richtung werden dann einige wohl
auch denken.“ Mehr Sichtbarkeit, nicht nur einer, sondern aller großen Religionen
hält Troll für wichtig. Das würde vielleicht auch dem gegenseitigen „Fremdeln“ ein
Ende bereiten. Die Verleihung des Kulturpreises an alle der vier Kandidaten ist immerhin
ein erster Schritt.