Besser spät als nie:
In London hat am Dienstag eine öffentliche Untersuchung zur Beteiligung der Briten
am Irakkrieg begonnen. Ein von der Regierung eingesetzter Ausschuss soll herausfinden,
wann unter dem damaligen Premierminister Tony Blair die Kriegsvorbereitungen begannen
und welche Gründe für den Kriegseinsatz eine Rolle gespielt haben. Ohne UNO-Mandat
und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung war Großbritannien im Frühjahr 2003
an der Seite der US-Truppen in den Krieg gezogen. Die offizielle Begründung: Das Regime
des irakischen Dikators Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen und unterstütze
das Terrornetzwerk Al Kaida.
Die katholische Friedensbewegung „Pax Christi“
begrüßt die Aufnahme der Untersuchung. Im Interview mit Radio Vatikan sagte die Generalsekretärin
Christine Hoffmann:
„Es handelt sich um eine Sternstunde der Demokratie.
Die Öffentlichkeit weiß, dass es da Unklarheiten gibt, dass da nicht mit offenen Karten
gespielt wurde. Die Begründung, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen, hat sich
in Luft aufgelöst. Jetzt wird ein Untersuchungsausschuss eingerichtet und die Möglichkeit
besteht, Ereignisse innerhalb des Systems dingfest zu machen und zu bewerten. Das
ist gut!“
Die Interessen Großbritanniens und der USA am Irakkrieg seien
eindeutig wirtschaftlicher Natur gewesen, so Hoffmann. Angesichts knapper werdender
Ressourcen seien auch andere Kriege heute so zu bewerten.
„Wir müssen die
Frage der Ressourcenkriege absolut ernst nehmen. Es ist absehbar, wann es kein Öl
mehr gibt. Und im Moment wird mit harten Bandagen gekämpft, um den Zugang zu diesen
fossilen Energieträgern zu sichern, um den Wohlstand zu sichern. Das ist bekannt,
die NATO schreibt das in ihre Konzepte und die USA sind an vorderster Front dabei.
Bush hat ganz klar diese Interessen gehabt.“
Am Erfolg der britischen Untersuchung
ließe sich die „Glaubwürdigkeit von Demokratie“ bemessen, so Hoffmann. Idealerweise
sollten jedoch in einem solchen unabhängigen Ausschuss nicht nur – wie jetzt vorgesehen
– Regierungsvertreter sitzen. Hoffmann erklärt:
„Ich würde in solchen Situationen
gerade auch die Kriegsgegner mit einbeziehen; Journalistinnen und Journalisten, die
unabhängige Recherchen gemacht haben. Wenn solche Personen die Kommission bestücken
würden, würden die Ergebnisse sicher klarer werden.“
Mit dem Machtwechsel
in den USA habe sich die Situation des Iraks nicht verbessert, so Hoffmann. Sie besuchte
den Norden des Landes im September 2009 mit einer internationalen Pax Christi-Delegation.
Für Obama sei das weitgehend zerstörte Land „unbequem“. „Es nutzt
nichts, wenn Obama die Soldaten abzieht, um sie dann in Afghanistan zu stationieren.
Der Irak ist ein großes Problem für Obama, weil jetzt ansteht, dieses Land wieder
aufzubauen. Das Land ist absolut zerstört, und es geht ihm viel schlechter als vor
dem Krieg. Deshalb ist der Irak absolut berechtigt, viel internationale Unterstützung
zu erhalten. Für die USA ist das unbequem. Dabei ist das überhaupt keine militärische
Frage, sondern es braucht Unterstützung für die Iraker, die parlamentarische und demokratische
Strukturen aufbauen wollen. Und dafür erfahren sie viel zu wenig Unterstützung“. Armee-Angehörige,
Diplomaten, ranghohe Beamte und Regierungsvertreter sollen von der Kommission angehört
werden. Auch die Befragung des damaligen Premierministers Tony Blair ist für kommendes
Jahr geplant. Die Untersuchungen könnten nach derzeitigem Stand rund ein Jahr dauern,
der Schlussbericht der Kommission soll frühestens Ende 2010 vorliegen. Die US-Regierung
will die Londoner Untersuchung unterstützen. „Natürlich sind wir zur Zusammenarbeit
bereit“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ian Kelly, am Dienstag vor Journalisten.
Falls für diesen „wichtigen demokratischen Vorgang“ Informationen benötigt würden,
wolle Washington diese wenn möglich weitergeben, so Kelly.