Die Ermordung des
russisch-orthodoxen Priesters Daniel Sisojew hat in Moskau für großes Aufsehen gesorgt.
Der Priester war vergangene Woche in seiner Pfarrkirche von einem Unbekannten mit
mehreren Schüssen niedergestreckt worden; auch der Assistent des 35-jährigen Priesters
wurde schwer verletzt. Patriarch Kyrill I. würdigte in seiner Trauerbotschaft den
missionarischen Einsatz des ermordeten Priesters, der sich vor allem der Jugend angenommen
habe. In der ganzen russischen Kirche herrsche Trauer um Daniel Sisojew. Der Mord
sei eine „Herausforderung des göttlichen Rechts und Entweihung eines heiligen Orts“,
so Patriarch Kyrill.
Zum Hintergrund: Die russischen Sicherheits- und Justizbehörden
ermitteln in alle Richtungen. Der Priester habe per Telefon und E-Mail Todesdrohungen
sowohl aus islamistischen wie auch aus so genannten „neuheidnischen“ Kreisen erhalten,
hieß es in Moskau. Deshalb habe er sich auch an den russischen Inlandsgeheimdienst
gewandt.
Doch der Russland-Experte und Dozent für Ökumene und Friedensforschung
an der Uni Münster, Thomas Bremer, glaubt nicht, dass es in Russland ein „interreligiöses
Problem“ gibt.
„In Russland leben – wie allgemein bekannt ist – mehrheitlich
orthodoxe Christen. Insgesamt sind es etwa Dreiviertel der Bevölkerung, die sich zur
Orthodoxie bekennen. Etwa 6,2 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Islam. Dazu
muss man sagen, dass die Muslime schwerpunktmäßig in ganz bestimmten Regionen leben,
also im Kaukasus, Tschetschenien oder Tatarstan. Doch allgemein sind die interreligiösen
Beziehungen immer zwischennationale Beziehungen. Das Bekenntnis einer Religion bedeutet
in Russland fast immer auch das Bekenntnis zu einer bestimmten Nation.“ Seit
dem Fall des atheistischen Sowjetkommunismus habe sich das religiöse Leben in eine
bestimmte Richtung entwickelt.
„Es ist interessant, dass zunächst das religiöse
Leben einen Aufschwung erlebte. Es wurden viele Kirchen, Moscheen und andere Gotteshäuser
gebaut. Viele Menschen bekennen sich zur Religion – vielmehr natürlich, als das früher
der Fall gewesen war. Doch ganz wichtig ist, dass Religion allgemein als ein positiver
Wert gesehen wird. Auch Menschen, die selber nicht oder nicht so intensiv religiös
sind, halten Religion dennoch für etwas Positives.“ (rv/kap 23.11.2009 mg)