Die Kirche braucht Kunst, um den Menschen das Unsichtbare und Unverstehbare näher
zu bringen. Das hat Benedikt XVI. an diesem Samstag bei einem Treffen mit hochrangigen
Vertretern aus Bildender Kunst, Architektur, Musik und Film im Vatikan betont. Der
Einladung des Papstes gefolgt waren unter anderem Stararchitektin Zaha Hadid, der
Maler Jannis Kounellis, der Komponist Ennio Morricone sowie Filmstar Terrence Hill.
Aus Deutschland mit dabei waren die Regisseure Peter Stein und Philipp Gröning, der
Videokünstler Christoph Brech, der Schriftsteller Uwe Timm, der Musiker Carsten Nicolai
sowie die Witwe und die Schwester des vor zwei Jahren verstorbenen Architekten Owald
Mathias Ungers. In seiner Ansprache ging der Papst auf die vielen Berührungspunkte
zwischen Kunst und Religion ein, warb für ein freundschaftliches Verhältnis und mehr
Zusammenarbeit. Symbolträchtiger Ort des Gipfeltreffens zwischen Kunst und Kirche
war die Sixtinische Kapelle.
„Die Welt, in der wir leben, braucht Schönheit,
um nicht in Verzweiflung zu versinken“, wandte sich der Papst an die versammelten
Künstler. Als „Treuhänder des Schönen“ könnten sie gerade in Krisenzeiten wie heute
neuen Mut und Hoffnung wecken:
„Was, wenn nicht die Kunst, kann den Enthusiasmus
und die Zuversicht wiederherstellen, den menschlichen Geist ermutigen, seinen Weg
zu finden…und von einem Leben, das seiner Berufung würdig ist, zu träumen?“
Allzu
oft ginge es in der Gesellschaft allein um eine oberflächliche Schönheit, die letztlich
enttäuschend sei, sagte Benedikt und erklärte, was seiner Meinung nach „authentische
Schönheit“ ausmache. Ausgehend vom Schönheitsbegriff großer Denker wie Platon, Dostojewski
und Braque machte Benedikt klar: Authentische Schönheit stört, lässt uns nicht in
Ruhe und antwortet auf das Sehnen der Menschen, auf „ihr Verlangen zu wissen, zu lieben“
und „auf den Anderen zuzugehen“:
„Wenn wir zugeben, dass Schönheit uns berührt,
dass sie uns verwundet, unsere Augen öffnet, dann entdecken wir die Freude des Sehens
neu und verstehen die tiefe Bedeutung unserer Existenz, das Geheimnis dessen Teil
wir sind.“
Kunst könne also auch eine religiöse Qualität
annehmen, nämlich dort, wo sie die großen Fragen der menschlichen Existenz anspreche
und so einen Weg zum Spirituellen weise, sagte der Papst und zitierte aus einem Brief
Johannes Pauls II. Mit diesem hatte sich Karol Wojtyla vor zehn Jahren an die Welt
der Künste gerichtet:
„Kunst ist, soweit sie das Schöne sucht, (…) von ihrer
Natur her ein Appell an das Mysterium. Auch wenn sie die dunkelsten Tiefen der Seele
oder die beunruhigenden Aspekte des Bösen erkundet, leiht der Künstler auf seine Art
dem universellen Verlangen nach Erlösung die Stimme.“
Schönheit sei „ein
Ruf zur Transzendenz“ und ein Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt, so Benedikt.
Deswegen sei jede echte Kunst ihrer Natur nach religiös. Das unterstrich der Papst
mit den Worten Hermann Hesses: „Kunst bedeutet, Gott in allem, was existiert, zu
entdecken.“
Die Kirche also brauche Kunst, um ihre Botschaft zu verkünden,
denn die Kunst rühre „am Herzen der Menschheit“ und erweitere ihren Horizont. Andererseits
sei auch die Religion über Jahrhunderte hinweg eine Inspirationsquelle für die Künste
gewesen, betonte Benedikt und lud die anwesenden Künstler zum Dialog ein:
„Durch
Eure Kunst seid Ihr selbst Boten und Zeugen der Hoffnung für die Menschheit! Und fürchtet
Euch nicht, Euch der ersten und letzten Quelle der Schönheit zu nähern und in den
Dialog mit den Gläubigen zu treten, mit denen, die wie Sie glauben, dass sie Pilger
in dieser Welt und in der Geschichte sind, auf dem Weg zu unendlicher Schönheit!“