2009-11-20 17:01:03

Vatikan: Anglikaner-Primas, „Glas ist halbvoll“


RealAudioMP3 Der anglikanische Primas Rowan Williams sieht das Verhältnis von anglikanischer und katholischer Kirche positiv. „Das ökumenische Glas ist halbvoll“, sagte Williams am Donnerstagabend bei einer Tagung in der Päpstlichen Universität Gregoriana. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil seien große Fortschritte und theologische Einigungen etwa über das Wesen Gottes und der Kirche und ihrer Mission erzielt worden, sagte das Oberhaupt der Anglikaner. Die Verantwortung für eine Stagnation auf dem Weg zur Einheit schrieb Williams der katholischen Kirche zu. Sie müsse darlegen, warum rechtliche und institutionelle Trennungsgründe größeres Gewicht haben sollten als die erreichte Übereinkunft in zentralen Glaubensfragen. Am Samstag wird Williams mit Papst Benedikt XVI. zusammentreffen.

Vor dem hochrangig besetzten katholisch-anglikanischen Publikum in der Gregoriana erinnerte Williams an die weiterhin trennenden Fragen nach Autorität, Primat, Ordination. „Haben sie heute noch das gleiche Gewicht“, fragte er, oder könnten sie in einem anderen Licht gesehen werden als die bereits erreichten grundlegenden theologischen Übereinkünfte?

„Handelt es sich um theologische Fragen, im gleichen Sinn wie die großen Fragen, in denen bereits Einigung erzielt wurde? Wenn sie das sind, wie richtig ist es dann, sie anders zu betrachten als das grundlegende Verständnis von Erlösung und Gemeinschaft. Wenn sie das aber nicht sind, warum stehen sie noch immer einer vollen und sichtbaren Einheit im Weg?“ 
Williams verteidigte Priester- und Bischofsweihen für Frauen. Ein Verzicht auf diese Praxis, die aus katholischer Sicht ein Haupthindernis für die gegenseitige Anerkennung ist, würde dem Verständnis anglikanischer Christen von der Gleichheit aller Getauften zuwiderlaufen. Ein kollektiver Übertritt der Anglikaner zur römisch-katholischen Kirche sei kein Weg der Ökumene. Die jüngste apostolische Konstitution nannte der Primas eine „phantasievolle pastorale Antwort“ auf die Bedürfnisse einzelner Gruppen. Gleichzeitig werfe sie neue Fragen auf bezüglich der Anerkennung weiterer Divergenzen, welche die Einheit der katholischen Kirche offensichtlich nicht gefährdeten.

Williams:
„Wir wollen – in einem Geist der Dankbarkeit und Brüderlichkeit – die Frage stellen, ob diese ungelöste Aufgabe so grundsätzlich kirchentrennend ist, wie das unsere römisch-katholischen Freunde generell annehmen und behaupten. Wenn sie das nicht ist, können wir es uns dann erlauben, die ausstehenden Themen mit den gleichen methodologischen Vorgaben und der gleichen spirituellen und umfassenden sakramentalen Sicht anzugehen, die uns hierher gebracht hat?“ 
Den vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen Kardinal Walter Kasper, der an der Seite des Primas auf dem Podium saß, nannte Williams einen Freund. Kasper räumte ein, dass die Konstitution mit größerer Transparenz hätte erarbeitet werden können. Die Vorschläge Williams’ begrüßte Kasper:

„Ich würde sagen, wir müssen unterscheiden zwischen Divergenzen, die widersprüchlich sind und solchen, die ergänzend sind. Einander ergänzende Divergenzen kann es in der Kirche geben, weil der Glaube, weil Gott ein Geheimnis ist, und es nicht das eine System gibt, Gott zu erklären. Verschiedene Positionen können hier einander ergänzen, dürfen sich aber nicht widersprechen. Wir müssen darüber diskutieren, ob diese Fragen immer noch widersprüchlicher Natur sind oder nicht. Das ist eines der Ziele eines gemeinsamen Symposiums im nächsten Februar.“
 
Der deutsche Kurienkardinal Kasper und das geistliche Oberhaupt der Anglikaner feiern an diesem Freitag einen ökumenischen Vespergottesdienst im Oratorio Del Caravita, einem Zentrum englischsprachiger Christen in Rom. In der von Kasper geleiteten Feier wird Williams die Predigt halten. Im Rahmen seines dreitägigen Rom-Aufenthalts sind weitere Begegnungen mit Vertretern der römischen Kurie geplant.

(rv/pm/kna 20.11.2009 bp)

 







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