2009-11-20 15:03:30

D: Kirche und Professoren zeigen Verständnis


„Ich habe großes Verständnis für die Aktionen der Studenten. Die Studienreform geht offensichtlich an den Bedürfnissen der jungen Leute vorbei“. Mit diesen Worten äußerte sich der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, am vergangenen Dienstag über die Studentendemonstrationen, die bundesweit stattfanden. Aber worum geht es den Studenten denn eigentlich? Jasmin Beizai hat dazu einige Stimmen eingefangen.

Die Proteste richten sich hauptsächlich gegen die Bachelor- und Masterstudiengänge. Für die hatte 1999 der Bolognaprozess die Weichen gestellt. Zu den Veränderungen Hanna Liffers, Theologiestudentin in Münster:

„Ich finde, es ist ein sehr, sehr vollgepackter Studiengang, total verschult. Man kann sich eigentlich kaum mit Themen intensiver beschäftigen, weil man so viele Seminare und Pflichtveranstaltungen hat, die man machen muss, egal ob es einen interessiert oder nicht. Man hat eigentlich kaum Zeit, mal tiefer in ein Thema reinzugehen oder sich intensiver mit etwas zu beschäftigen. Ich glaube, dass die alte Studienordnung schon mehr Freiraum lässt. Ich würde nicht sagen, dass das Bachelor-Mastersystem abgeschafft werden muss, es muss aber gründlich überarbeitet werden.“

Auch die vor ein paar Jahren eingeführten Studiengebühren sind immer noch Thema der Demonstrationen. Auf den Plakaten der Studenten liest man Slogans wie „Bildung ist keine Ware, sondern ein Grundrecht“. „Wir zahlen eure Krise, zahlt unsere Bildung“, „Weg mit der Campusmaut“. Zu den Gefahren und den sozialen und gesellschaftlichen Folgen, die die Gebühren bergen, äußert sich in einem Interview mit dem Domradio Köln eine Studentin vom Aktionsbündnis Bildungsstreik, Katharina Sass:
 
„Es ist ja sowieso schon so, dass an den Unis viel mehr Akademikerkinder studieren als etwa Migrantenkinder. Das kommt zum Teil auch vom dreigliedrigen Schulsystem, das wir auch kritisieren. Wir finden, dass eben nicht nur Kinder aus reichen und gebildeten Elternhäusern studieren können sollen. Wir hoffen auf ein radikales Umdenken in der Politik. Wir wollen nicht nur Lippenbekenntnisse à la „Ja, wir wollen mehr Bildung“, sondern wir hoffen, dass sich endlich etwas verändert. Sonst fährt unser Bildungssystem die Gesellschaft vor die Wand.“

„Studieren macht keinen Spaß mehr, sondern ist nur Stress“. So empfindet es die Mehrheit der Studenten. Denn die Studienreformen machen Druck und fordern durchgehend hundertprozentige Leistung. Die Sorgen der Studierenden schildert ein Studentenseelsorger der Universität Münster wie folgt:

„Durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterregelung gibt es ständig Prüfungszeit. Durch die Umstellung, dass vorgegeben ist, was ich zu belegen habe, werde ich nicht mehr darin erzogen, eigenverantwortlich zu entscheiden, an welchen Lehrveranstaltungen. Was verloren gegangen ist, ist der Blick auf das gesamte Feld der Bildung, dass der Mensch in seiner Person gebildet wird, dass das Studium auch eine wichtige Lebensphase der menschlichen Reifung und der Bildung der eigenen Persönlichkeit. Viele Studierende können heute nicht mehr eine Vorlesung oder Lehrveranstaltung aus Neigung und Interesse besuchen.“

Aber nicht nur Studenten sind unglücklich mit der Situation an den Universitäten. Auch die Professoren schließen sich der Auflehnung gegen die Missstände an, wie Professor Gerhard Droesser, Professor für christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät in Würzburg:

„Ich verstehe den Prostest vollkommen und billige ihn vollkommen. Es geht einerseits darum, dass die Eltern aufgefordert werden, nicht geringe Summen zu investieren und andererseits die zu erwartenden Vergünstigungen nicht eintreten. Insofern ist der Protest doch sehr zu unterstützen.“

Verständnis also auch von Seiten der Lehrenden, denn ein Studium sollte ja nicht nur Paukerei sein, meint Professor Droesser und kritisiert:

„Die Zeit der Muße und Kontemplation, die für ein Studium unabdingbar ist, denn ein Studium ist ja nicht nur Einsaugen von Faktenwissen, sondern auch ‚Werden zur menschlichen Persönlichkeit’, wird auf Null reduziert. Das trifft uns in der Theologie schon bald, und hat die Geisteswissenschaften schon längst getroffen. Da gibt es jetzt Massenveranstaltungen, die mit Begegnung und Tradition wenig gemein haben. Das halte ich für tödlich.“

(rv 20.11.09 jb)








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