„Ich habe großes Verständnis für die Aktionen der Studenten. Die Studienreform geht
offensichtlich an den Bedürfnissen der jungen Leute vorbei“. Mit diesen Worten äußerte
sich der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, am vergangenen Dienstag
über die Studentendemonstrationen, die bundesweit stattfanden. Aber worum geht es
den Studenten denn eigentlich? Jasmin Beizai hat dazu einige Stimmen eingefangen.
Die
Proteste richten sich hauptsächlich gegen die Bachelor- und Masterstudiengänge. Für
die hatte 1999 der Bolognaprozess die Weichen gestellt. Zu den Veränderungen Hanna
Liffers, Theologiestudentin in Münster:
„Ich finde, es ist ein sehr, sehr
vollgepackter Studiengang, total verschult. Man kann sich eigentlich kaum mit Themen
intensiver beschäftigen, weil man so viele Seminare und Pflichtveranstaltungen hat,
die man machen muss, egal ob es einen interessiert oder nicht. Man hat eigentlich
kaum Zeit, mal tiefer in ein Thema reinzugehen oder sich intensiver mit etwas zu beschäftigen.
Ich glaube, dass die alte Studienordnung schon mehr Freiraum lässt. Ich würde nicht
sagen, dass das Bachelor-Mastersystem abgeschafft werden muss, es muss aber gründlich
überarbeitet werden.“
Auch die vor ein paar Jahren eingeführten Studiengebühren
sind immer noch Thema der Demonstrationen. Auf den Plakaten der Studenten liest man
Slogans wie „Bildung ist keine Ware, sondern ein Grundrecht“. „Wir zahlen eure Krise,
zahlt unsere Bildung“, „Weg mit der Campusmaut“. Zu den Gefahren und den sozialen
und gesellschaftlichen Folgen, die die Gebühren bergen, äußert sich in einem Interview
mit dem Domradio Köln eine Studentin vom Aktionsbündnis Bildungsstreik, Katharina
Sass: „Es ist ja sowieso schon so, dass an den Unis viel mehr Akademikerkinder
studieren als etwa Migrantenkinder. Das kommt zum Teil auch vom dreigliedrigen Schulsystem,
das wir auch kritisieren. Wir finden, dass eben nicht nur Kinder aus reichen und gebildeten
Elternhäusern studieren können sollen. Wir hoffen auf ein radikales Umdenken in der
Politik. Wir wollen nicht nur Lippenbekenntnisse à la „Ja, wir wollen mehr Bildung“,
sondern wir hoffen, dass sich endlich etwas verändert. Sonst fährt unser Bildungssystem
die Gesellschaft vor die Wand.“
„Studieren macht keinen Spaß mehr, sondern
ist nur Stress“. So empfindet es die Mehrheit der Studenten. Denn die Studienreformen
machen Druck und fordern durchgehend hundertprozentige Leistung. Die Sorgen der Studierenden
schildert ein Studentenseelsorger der Universität Münster wie folgt:
„Durch
die Umstellung auf Bachelor- und Masterregelung gibt es ständig Prüfungszeit. Durch
die Umstellung, dass vorgegeben ist, was ich zu belegen habe, werde ich nicht mehr
darin erzogen, eigenverantwortlich zu entscheiden, an welchen Lehrveranstaltungen.
Was verloren gegangen ist, ist der Blick auf das gesamte Feld der Bildung, dass der
Mensch in seiner Person gebildet wird, dass das Studium auch eine wichtige Lebensphase
der menschlichen Reifung und der Bildung der eigenen Persönlichkeit. Viele Studierende
können heute nicht mehr eine Vorlesung oder Lehrveranstaltung aus Neigung und Interesse
besuchen.“
Aber nicht nur Studenten sind unglücklich mit der Situation
an den Universitäten. Auch die Professoren schließen sich der Auflehnung gegen die
Missstände an, wie Professor Gerhard Droesser, Professor für christliche Sozialwissenschaft
an der Theologischen Fakultät in Würzburg:
„Ich verstehe den Prostest vollkommen
und billige ihn vollkommen. Es geht einerseits darum, dass die Eltern aufgefordert
werden, nicht geringe Summen zu investieren und andererseits die zu erwartenden Vergünstigungen
nicht eintreten. Insofern ist der Protest doch sehr zu unterstützen.“
Verständnis
also auch von Seiten der Lehrenden, denn ein Studium sollte ja nicht nur Paukerei
sein, meint Professor Droesser und kritisiert:
„Die Zeit der Muße und Kontemplation,
die für ein Studium unabdingbar ist, denn ein Studium ist ja nicht nur Einsaugen von
Faktenwissen, sondern auch ‚Werden zur menschlichen Persönlichkeit’, wird auf Null
reduziert. Das trifft uns in der Theologie schon bald, und hat die Geisteswissenschaften
schon längst getroffen. Da gibt es jetzt Massenveranstaltungen, die mit Begegnung
und Tradition wenig gemein haben. Das halte ich für tödlich.“