Österreich: Theologin Lapide „Jüdisch-katholische Beziehungen besser als je zuvor“
Die Beziehungen des
Judentums zur katholischen Kirche sind heute „besser als je zuvor“. Dieser Auffassung
ist die deutsche jüdische Theologin Ruth Lapide. Die „gute Nachbarschaft“ zwischen
Juden und Katholiken im deutschsprachigen Raum und anderen europäischen Ländern sei
nach den Schwierigkeiten zu Jahresbeginn wieder intakt, sagte Lapide am Montag vor
Journalisten in Wien.
Jüdischerseits überwiege die Sicht, dass der Papst ernsthaft
um ein gutes Verhältnis bemüht sei, so Ruth Lapide. Auch wenn es andere große und
wichtige Probleme für die Kirche gibt, bleibe der Dialog zwischen Christentum und
Judentum eine besonders wichtige Aufgabe:
„Es gibt keine anderen zwei Religionen
auf dieser Erde, die so nah miteinander verwandt sind wie Juden und Christen generell.
Es gibt nicht noch einmal einen solchen Fall, wo der Heiland der einen, also der Jesus
der Christen, Zeit seines Lebens der anderen Religion angehört hat und zwar als guter
Mensch, als guter Jude. Darauf bin ich sehr stolz, nach wie vor. Ich bin für Dialog,
absolut.“ Lapide erinnerte daran, dass Benedikt XVI. in seiner Zeit als Präfekt
der Glaubenskongregation „das Programm Johannes Pauls II. für den Dialog mit den Juden
entscheidend „mit entworfen“ habe. Sie sei überzeugt davon, so die Theologin, dass
auch die umstrittene Karfreitagsfürbitte Benedikts XVI. für die seit 2007 breit zugelassene
vorkonziliare Liturgie „mit Judenmission nichts zu tun hat“.
„Judenmission
gibt es sowieso. Sie macht mir große Sorgen, und zwar in allen Religionen, nicht nur
in der katholischen, sondern ganz besonders auch in den evangelikalen Kreisen. Ich
würde das nicht alles auf den Papst schieben. Es gibt in allen christlichen Religionen
und Denominationen ein neues Auferwachen der Judenmission. Das ist natürlich ein ganz
großer Schmerz, egal von welcher Seite er kommt. Stellen Sie sich vor, wenn der Islam
stärkste Religion wäre und Ihre Kinder missionieren würde. Wie würden Sie sich verhalten?“ Die
Abwerbung der Juden - teilweise auch mit Gewalt - habe eine lange und blutige Geschichte,
die zu wenig aufgearbeitet werde; katholischerseits würden Auseinandersetzungen oft
vorschnell mit dem Hinweis auf das Konzilsdokument „Nostra Aetate“ abgetan, meinte
Lapide. Die nationalsozialistische Judenverfolgung habe eine Vorgeschichte gehabt,
an der die Kirchen beteiligt gewesen seien; „und die Kirchen haben leider zugeschaut
bei dem, was die Nazis getan haben“.
Ruth Lapide, 1929 in Burghaslach bei Bamberg
(Bayern) geboren, entstammt einer jüdischen Familie, die seit dem 12. Jahrhundert
in Deutschland lebte. Sie floh mit ihrer Familie vor dem Nationalsozialismus nach
Palästina, wo sie an der Hebräischen Universität Jerusalem Linguistik, Geschichte
und Judaistik studierte. In den 1970er-Jahren kehrte sie mit ihrem aus Wien stammenden
Ehemann, dem 1997 verstorbenen jüdischen Theologen Pinchas Lapide, nach Deutschland
zurück. Lapide setzt sich für eine genaue Bibelauslegung ein und hebt die tiefen jüdischen
Wurzeln des Christentums hervor. Sie ist immer wieder auch in Wien zu Gast. (kap
17.11.2009 ad)