Die katholische Kirche
ist eine wahre Weltmacht in Sachen Bildung. Rund 1.500 katholische Universitäten und
250.000 Schulen gibt es, verstreut auf alle Kontinente. Wo in einem Land nichts mehr
funktioniert, sind immer noch irgendwo Schwestern aktiv, die für die Grundbildung
von Kindern sorgen. Nun weiß man: Gegen Armut helfen auf der Welt praktisch nur drei
Dinge: Bildung, Bildung und Bildung. Sollte die Kirche deshalb nicht noch viel mehr
Ressourcen in ihre Schulen und Unis auf der ganzen Welt stecken? Das wollten wir von
Thomas Frauenlob wissen - der bayerische Priester wirkt an der vatikanischen Bildungskongregation.
“Das
ist sicher richtig. Gerade durch die Arbeit hier an der Kongregation, durch die Ad-Limina-Besuche
der Bischöfe und die Berichte, die sie schicken, wird man sich bewusst, wie sehr der
Mangel an Bildung Menschen in die Not bringt, in die Entwürdigung und in die Unfreiheit.
Darum muss es zutiefst ein Anliegen der katholischen Kirche sein, allein schon aus
Nächstenliebe, zu versuchen, den Menschen z. B. in Afrika oder Südamerika Bildungsmöglichkeiten
zu eröffnen. Das ist nicht ganz leicht. Dazu braucht es ein förderliches Umfeld, das
nicht immer gegeben ist.“
Was wäre ein solches förderliches Umfeld?
“Es
gibt Regierungen, die bitten die Kirche darum, eine katholische Universität zu errichten,
zum Beispiel, und andere lehnen das ab. Dann ist es so, dass sie weitgehend von Spenden
und vom Idealismus Einzelner leben. Wenn einmal ein Grundstein gelegt und eine Eigendynamik
da ist, kann eine solche Uni oft schnell wachsen. Das Interesse der Kirche ist auf
jeden Fall vorhanden.“
Können Sie beziffern, wie groß der Einsatz der katholischen
Kirche im Bildungssektor ist?
“In der Demokratischen Republik Kongo sind
beispielsweise 80 Prozent der Bildungsmöglichkeiten in katholischer Trägerschaft.
Insgesamt gilt die Kirche als einer der größten Bildungsträger weltweit. Es gibt 250.000
katholische Schulen mit rund 50 Millionen Schülerinnen und Schülern, es gibt 1.500
katholische Universitäten, 6.000 Priesterseminare und kleine Seminare, also auch für
Schüler, weiters rund 700 kirchliche Studieneinrichtungen, an denen Theologie, Kirchenrecht
bzw. christliche Philosophie gelehrt werden. All das zusammen ist ein enormes Engagement
für die Bildung weltweit. Aber dass dies noch verbessert und ausgebaut werden kann,
ist klar.“
Unter den 1.500 katholischen Universitäten ist eine gewisse Bandbreite
beobachtbar. Im deutschen Sprachraum gibt es nur eine, die Katholische Universität
Eichstätt-Ingolstadt. Was ist das Profil einer katholischen Universität, und ist darüber
gerade eine Debatte im Gang?
„Gerade am Beispiel der Universität Eichstätt-
Ingolstadt zeigt sich, wie ambivalent oder wenig definiert der Begriff „katholisch“
ist. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen von „katholisch“. Für die einen, in Mitteleuropa
und vielleicht gerade in Deutschland, bedeutet „katholisch“ fast eine Bedrohung für
die Wissenschaft, als würde hier die Freiheit von Lehre und Forschung in Frage gestellt.
Das ist aber keineswegs so, die Freiheit von Lehre und Forschung ist ein Grundelement
jeder Universität. Für die anderen hingegen ist katholisch nach ihren Vorstellungen
ein Ort, den ich suche, der eine Geborgenheit bietet und die Vorstellung, dass es
hier klare ethische Konzepte gibt, eine klare Grundhaltung zum Leben, ein christliches
Menschenbild vertreten und die christliche Schöpfungsordnung betont wird. Dinge, die
unterschiedlich aufgefasst werden können. Was eine katholische Universität ausmacht,
ist in der apostolischen Konstitution „Ex Corde Ecclesiae“ („aus dem Herzen der Kirche“)
festgelegt, allerdings relativ weit, weil katholische Universitäten in unterschiedlichen
historischen Zusammenhängen stehen, auf unterschiedlichen kulturellen Hintergründen
wirken, und dies braucht eine gewisse Offenheit der Formulierung, um das in der konkreten
Situation interpretieren zu können. Aber dass man sich bemühen muss, in einem klaren
kulturellen Kontext eine relativ klare Definition von „katholisch“ zu bieten, ist
klar. Es bedeutet aber auch, sich der Mühe zu unterwerfen, das tatsächlich zu unternehmen.“
Gibt
es da Parallelen zu Universitäten anderer Religionsgemeinschaften?
„Natürlich!
Die katholische Kirche ist ja nicht die einzige, die Universitäten betreibt. Ein Beispiel:
Unser Präfekt Kardinal Zenon Grocholewski war vor einigen Jahren in Thailand auf Einladung
der Regierung, er sollte dort die katholischen Universitäten und Schulen besuchen.
Davor wollte er allerdings eine buddhistische Universität sehen. Es war ein schöner
Campus, in seiner Mitte stand eine Pagode. Die Studenten, egal welcher Herkunft und
Religion, hatten in der Woche zwei Stunden Buddhismuskunde zu absolvieren. Das ist
sehr viel, aber es geht darum, dass eine Studentin, ein Student an einer solchen Universität
versteht, auf welcher geistigen Grundlage diese Einrichtung steht.“
Was
können wir daraus für unsere katholischen Universitäten lernen?
„Wir setzen
gerade in christlich geprägten Umfeldern voraus, dass die Menschen genau wissen, was
katholische Positionen sind. Das war vor 30 Jahren vielleicht mehr gegeben als heute,
und so stellt sich die Frage, ob man nicht die Idee eines Studium generale, d.h. eines
Grundlagenstudiums, stärkt, sodass die Studierenden den geistigen Horizont einer solchen
Einrichtung besser verstehen können.“
US-Präsident Barack Obama war im Mai
2009 als Gastredner bei der Katholischen Universität Notre Dame in Indiana eingeladen
und hat dort eine Ehrendoktorwürde entgegengenommen. Das war bei den Katholiken in
den USA sehr umstritten. Was hält man denn an der vatikanischen Bildungskongregation
von dieser Einladung bzw. der Ehrendoktorwürde an Obama?
„Da muss man unterscheiden.
Auf der einen Seite setzt ein akademischer Titel, der ehrenhalber verliehen wird,
eine gewisse Übereinstimmung mit den Grundprinzipien voraus, und das war in diesem
Fall vielleicht nicht unbedingt gegeben, wenn jemand, der dezidiert konträre Positionen
im ethischen Bereich vertritt, eine Ehrendoktorwürde erhält. Da ist dann natürlich
schon die Frage, ob dies wirklich so günstig war, auch noch zum Beginn der Präsidentschaft.
Auf der anderen Seite: Man hat keine Scheu und darf keine Scheu haben, mit jedem in
Dialog zu treten. Unser Papst Benedikt macht das ja bestens vor, er hat vor niemandem
Angst, mit ihm in Dialog zu treten, das ist ein Zeichen der Freiheit, ein Zeichen,
dass man sich sicher ist in seiner Position, ohne sie wie eine Festung aufzubauen.
Der amerikanische Präsident ist ein von einer großen Demokratie gewähltes Staatsoberhaupt,
man kann dankbar sein, wenn man die Möglichkeit findet, eine Plattform, um offensichtlich
unterschiedliche Positionen gegeneinander zu stellen, um argumentativ einen vernünftigen
Dialog zu führen.“
Im Moment berät die Bildungskongregation über den Umgang
der Kirche mit dem Thema E-Learning. Welche Position zeichnet sich da ab?
In
den Grundlagendokumenten für katholische Universitäten wird viel Wert auf die universitäre
Gemeinschaft gelegt, das Miteinander von Lehrenden und Lernenden, der Studenten untereinander,
dass man hier in Dialog tritt. Nun stellt sich als neues Phänomen aufgrund der Entwicklung
des Internet die Frage, wie geht man mit Fernstudien um, also mit E-Learning. Ganze
Vorlesungsreihen kann man im Internet abrufen, jeder kann das verfolgen. Es gibt die
Möglichkeit, auch den Abschluss auf die Ferne zu erreichen. Nun ist für uns die Frage,
wie wichtig ist uns die faktische universitäre Gemeinschaft, nicht nur die virtuelle,
und welchen Beitrag leistet sie zur Bildung, d.h. zur Entwicklung, zur wissenschaftlichen
aber auch menschlichen Entwicklung einer Person. Diese Frage muss nun behandelt werden,
dafür ist auch die Bildungskongregation da, weil man durch die intensiven Kontakte
in alle Kontinente, in die verschiedenen Bischofskonferenzen hinein gute Informationen
hat, Erfahrungsberichte sammeln kann und viele Fachleute findet, die sich mit diesem
Thema auseinandersetzen. Da gilt es jetzt Material zu sammeln, verschiedene Perspektiven
abzuwägen, und dann im Lauf der Zeit – was einen längeren Zeitraum umfassen wird –
zu einer Positionierung zu kommen, wie steht die katholische Kirche zum Thema E-Learning.
Dass dies oft nötig ist, aufgrund der großen Entfernungen, gerade im asiatischen Raum,
ist klar, und dass es auch große Chancen bietet, muss man auch sehen. Aber es gibt
noch keine klare Meinung darüber, wie man damit umgehen soll. (rv 17.11./23.07.2009
gs)