2009-11-17 14:06:46

Vatikan: Was katholische Universitäten leisten


RealAudioMP3 Die katholische Kirche ist eine wahre Weltmacht in Sachen Bildung. Rund 1.500 katholische Universitäten und 250.000 Schulen gibt es, verstreut auf alle Kontinente. Wo in einem Land nichts mehr funktioniert, sind immer noch irgendwo Schwestern aktiv, die für die Grundbildung von Kindern sorgen. Nun weiß man: Gegen Armut helfen auf der Welt praktisch nur drei Dinge: Bildung, Bildung und Bildung. Sollte die Kirche deshalb nicht noch viel mehr Ressourcen in ihre Schulen und Unis auf der ganzen Welt stecken? Das wollten wir von Thomas Frauenlob wissen - der bayerische Priester wirkt an der vatikanischen Bildungskongregation.

“Das ist sicher richtig. Gerade durch die Arbeit hier an der Kongregation, durch die Ad-Limina-Besuche der Bischöfe und die Berichte, die sie schicken, wird man sich bewusst, wie sehr der Mangel an Bildung Menschen in die Not bringt, in die Entwürdigung und in die Unfreiheit. Darum muss es zutiefst ein Anliegen der katholischen Kirche sein, allein schon aus Nächstenliebe, zu versuchen, den Menschen z. B. in Afrika oder Südamerika Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das ist nicht ganz leicht. Dazu braucht es ein förderliches Umfeld, das nicht immer gegeben ist.“

Was wäre ein solches förderliches Umfeld?

“Es gibt Regierungen, die bitten die Kirche darum, eine katholische Universität zu errichten, zum Beispiel, und andere lehnen das ab. Dann ist es so, dass sie weitgehend von Spenden und vom Idealismus Einzelner leben. Wenn einmal ein Grundstein gelegt und eine Eigendynamik da ist, kann eine solche Uni oft schnell wachsen. Das Interesse der Kirche ist auf jeden Fall vorhanden.“

Können Sie beziffern, wie groß der Einsatz der katholischen Kirche im Bildungssektor ist?

“In der Demokratischen Republik Kongo sind beispielsweise 80 Prozent der Bildungsmöglichkeiten in katholischer Trägerschaft. Insgesamt gilt die Kirche als einer der größten Bildungsträger weltweit. Es gibt 250.000 katholische Schulen mit rund 50 Millionen Schülerinnen und Schülern, es gibt 1.500 katholische Universitäten, 6.000 Priesterseminare und kleine Seminare, also auch für Schüler, weiters rund 700 kirchliche Studieneinrichtungen, an denen Theologie, Kirchenrecht bzw. christliche Philosophie gelehrt werden. All das zusammen ist ein enormes Engagement für die Bildung weltweit. Aber dass dies noch verbessert und ausgebaut werden kann, ist klar.“

Unter den 1.500 katholischen Universitäten ist eine gewisse Bandbreite beobachtbar. Im deutschen Sprachraum gibt es nur eine, die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Was ist das Profil einer katholischen Universität, und ist darüber gerade eine Debatte im Gang?

„Gerade am Beispiel der Universität Eichstätt- Ingolstadt zeigt sich, wie ambivalent oder wenig definiert der Begriff „katholisch“ ist. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen von „katholisch“. Für die einen, in Mitteleuropa und vielleicht gerade in Deutschland, bedeutet „katholisch“ fast eine Bedrohung für die Wissenschaft, als würde hier die Freiheit von Lehre und Forschung in Frage gestellt. Das ist aber keineswegs so, die Freiheit von Lehre und Forschung ist ein Grundelement jeder Universität. Für die anderen hingegen ist katholisch nach ihren Vorstellungen ein Ort, den ich suche, der eine Geborgenheit bietet und die Vorstellung, dass es hier klare ethische Konzepte gibt, eine klare Grundhaltung zum Leben, ein christliches Menschenbild vertreten und die christliche Schöpfungsordnung betont wird. Dinge, die unterschiedlich aufgefasst werden können. Was eine katholische Universität ausmacht, ist in der apostolischen Konstitution „Ex Corde Ecclesiae“ („aus dem Herzen der Kirche“) festgelegt, allerdings relativ weit, weil katholische Universitäten in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen stehen, auf unterschiedlichen kulturellen Hintergründen wirken, und dies braucht eine gewisse Offenheit der Formulierung, um das in der konkreten Situation interpretieren zu können. Aber dass man sich bemühen muss, in einem klaren kulturellen Kontext eine relativ klare Definition von „katholisch“ zu bieten, ist klar. Es bedeutet aber auch, sich der Mühe zu unterwerfen, das tatsächlich zu unternehmen.“

Gibt es da Parallelen zu Universitäten anderer Religionsgemeinschaften?

„Natürlich! Die katholische Kirche ist ja nicht die einzige, die Universitäten betreibt. Ein Beispiel: Unser Präfekt Kardinal Zenon Grocholewski war vor einigen Jahren in Thailand auf Einladung der Regierung, er sollte dort die katholischen Universitäten und Schulen besuchen. Davor wollte er allerdings eine buddhistische Universität sehen. Es war ein schöner Campus, in seiner Mitte stand eine Pagode. Die Studenten, egal welcher Herkunft und Religion, hatten in der Woche zwei Stunden Buddhismuskunde zu absolvieren. Das ist sehr viel, aber es geht darum, dass eine Studentin, ein Student an einer solchen Universität versteht, auf welcher geistigen Grundlage diese Einrichtung steht.“

Was können wir daraus für unsere katholischen Universitäten lernen?

„Wir setzen gerade in christlich geprägten Umfeldern voraus, dass die Menschen genau wissen, was katholische Positionen sind. Das war vor 30 Jahren vielleicht mehr gegeben als heute, und so stellt sich die Frage, ob man nicht die Idee eines Studium generale, d.h. eines Grundlagenstudiums, stärkt, sodass die Studierenden den geistigen Horizont einer solchen Einrichtung besser verstehen können.“

US-Präsident Barack Obama war im Mai 2009 als Gastredner bei der Katholischen Universität Notre Dame in Indiana eingeladen und hat dort eine Ehrendoktorwürde entgegengenommen. Das war bei den Katholiken in den USA sehr umstritten. Was hält man denn an der vatikanischen Bildungskongregation von dieser Einladung bzw. der Ehrendoktorwürde an Obama?

„Da muss man unterscheiden. Auf der einen Seite setzt ein akademischer Titel, der ehrenhalber verliehen wird, eine gewisse Übereinstimmung mit den Grundprinzipien voraus, und das war in diesem Fall vielleicht nicht unbedingt gegeben, wenn jemand, der dezidiert konträre Positionen im ethischen Bereich vertritt, eine Ehrendoktorwürde erhält. Da ist dann natürlich schon die Frage, ob dies wirklich so günstig war, auch noch zum Beginn der Präsidentschaft. Auf der anderen Seite: Man hat keine Scheu und darf keine Scheu haben, mit jedem in Dialog zu treten. Unser Papst Benedikt macht das ja bestens vor, er hat vor niemandem Angst, mit ihm in Dialog zu treten, das ist ein Zeichen der Freiheit, ein Zeichen, dass man sich sicher ist in seiner Position, ohne sie wie eine Festung aufzubauen. Der amerikanische Präsident ist ein von einer großen Demokratie gewähltes Staatsoberhaupt, man kann dankbar sein, wenn man die Möglichkeit findet, eine Plattform, um offensichtlich unterschiedliche Positionen gegeneinander zu stellen, um argumentativ einen vernünftigen Dialog zu führen.“

Im Moment berät die Bildungskongregation über den Umgang der Kirche mit dem Thema E-Learning. Welche Position zeichnet sich da ab?

In den Grundlagendokumenten für katholische Universitäten wird viel Wert auf die universitäre Gemeinschaft gelegt, das Miteinander von Lehrenden und Lernenden, der Studenten untereinander, dass man hier in Dialog tritt. Nun stellt sich als neues Phänomen aufgrund der Entwicklung des Internet die Frage, wie geht man mit Fernstudien um, also mit E-Learning. Ganze Vorlesungsreihen kann man im Internet abrufen, jeder kann das verfolgen. Es gibt die Möglichkeit, auch den Abschluss auf die Ferne zu erreichen. Nun ist für uns die Frage, wie wichtig ist uns die faktische universitäre Gemeinschaft, nicht nur die virtuelle, und welchen Beitrag leistet sie zur Bildung, d.h. zur Entwicklung, zur wissenschaftlichen aber auch menschlichen Entwicklung einer Person. Diese Frage muss nun behandelt werden, dafür ist auch die Bildungskongregation da, weil man durch die intensiven Kontakte in alle Kontinente, in die verschiedenen Bischofskonferenzen hinein gute Informationen hat, Erfahrungsberichte sammeln kann und viele Fachleute findet, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Da gilt es jetzt Material zu sammeln, verschiedene Perspektiven abzuwägen, und dann im Lauf der Zeit – was einen längeren Zeitraum umfassen wird – zu einer Positionierung zu kommen, wie steht die katholische Kirche zum Thema E-Learning. Dass dies oft nötig ist, aufgrund der großen Entfernungen, gerade im asiatischen Raum, ist klar, und dass es auch große Chancen bietet, muss man auch sehen. Aber es gibt noch keine klare Meinung darüber, wie man damit umgehen soll.
(rv 17.11./23.07.2009 gs)
 







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