Schweiz: „Anti-Minarett-Initiative zeigt oberflächliche Diskussion“
Seit drei Jahren wird
in der Schweiz rege über die Bewilligung oder ein Verbot von Moschee-Bauten und vor
allem von Minaretten diskutiert. Am 29. November werden die Schweizer darüber abstimmen,
ob in der Bundesverfassung ein Verbot von Minaretten festgeschrieben werden soll oder
nicht. Mario Galgano mit weiteren Einzelheiten.
Religiöse Symbole spielen im
Alltagsleben der Schweizer eine wichtige Rolle. Man denke beispielsweise an die Schweizer
Fahne: Ein christliches Kreuz ziert das Wappen der Eidgenossen. Das passt wohl auch
zur Mehrheit der Bürger des Landes, die ja Christen sind. Die Muslime sind mit über
300.000 Einwohnern die zweitgrößte Religionsgemeinschaft im Alpenland; die meisten
von ihnen sind Migranten oder haben zumindest einen Migrationshintergrund. Die Anti-Minarett-Initiative
betrifft deshalb vor allem Einwanderer. Denn bei dieser Abstimmung gehe es nicht darum,
ob der Islam in der Schweiz akzeptiert sei oder nicht. In erster Linie gehe es darum,
wie die Schweizer mit ihren Migranten umgehen. Das erläutert der Nationaldirektor
von Migratio Schweiz, Marco Schmid. Der Direktor der Stabskommission der Schweizer
Bischofskonferenz, die sich um Fragen der Einwanderung kümmert, hält deshalb nicht
viel von der Anti-Minarett-Initiative.
„Ich bin sehr unzufrieden, wie über
dieses Thema gesprochen wird. Die Diskussion scheint mir sehr oberflächlich zu sein.
Sie wird zu stark an irgendwelchen Bildern orientiert, die man aufbaut. Diese Bilder
aber berücksichtigen nicht die Realität.“ Es sei kein Geheimnis, dass es Muslime
in der Schweiz schwer haben. Das merke man an der unterschiedlichen Lage von christlichen
Migranten und muslimischen Ausländern in der Schweiz.
„Gesellschaftlich-allgemein
gesehen gibt es in der Tat Unterschiede, weil der Migrant, der katholisch ist, einen
Vorteil hat. Er findet in der Schweiz bereits seine Religionsgemeinschaft vor. Das
ist eine Referenz, die ein Muslim nicht hat. Die ersten Muslime, die in die Schweiz
kamen, reisten sozusagen in ein – aus ihrer Sichtt – Niemandsland. Sie mussten ihre
Gemeinschaften von Null auf aufbauen. Das war auch für die Schweiz eine Herausforderung
- und das spricht für sich.“ Auch wenn die meisten Schweizer Bürger Christen
sind, so gibt es auch viele Schweizer Muslime. Man werfe aber alle Muslime in denselben
Topf, nämlich in den Topf der Ausländer, so Schmid.
„Die Anti-Minarett-Initiative
zeigt eigentlich genau diese Oberflächlichkeit. Hier wird über ein Objekt diskutiert,
aber die eigentliche Frage – also das Zusammenleben mit Menschen anderer Religionen
– wird eigentlich nicht thematisiert. Es wird also an einem oberflächlichen Diskussionsthema
etwas angegangen, was aber mit der Realität nichts zu tun hat.“ Dieses falsche
Bild „Muslim = Ausländer“ beweise auch, dass die Migrationsfrage in der Schweiz bisher
falsch gestellt wurde, so Marco Schmid, Nationaldirektor von Migratio Schweiz.
„Nicht
die Migranten haben ein Problem, sich zu integrieren. Denn es wird immer so beschrieben,
als ob sie ein Problem mit uns haben. Ich würde eher sagen, dass die Schweizer ein
Problem mit den Migranten haben. Ich erlebe in meiner Arbeit die Migranten oft als
sehr offene, gastfreundliche und gerne in der Schweiz lebende Mitmenschen. Sie sind
dankbar, dass sie in der Schweiz leben dürfen, und sie wollen arbeiten. Sie geben
sich wirklich Mühe, hier ein Leben in Frieden und im Respekt der Gesellschaft aufzubauen.“ (rv
13.11.2009 mg)