2009-11-10 09:58:37

Dieter Stolte – Magier der Medienwelt


RealAudioMP3 Prof. Dieter Stolte arbeitete bereits 1961 beim Aufbau  des Saarländischen Rundfunks mit, wechselte dann zum ZDF in Mainz und ging als Fernsehdirektor zum Südwestfunk nach Baden-Baden. 1981 wurde Stolte Intendant des ZDF. Mit ihm trat der erste Medienpraktiker an die Spitze des Mainzer Senders, eine der größten europäischen Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieter Stolte leitete dieses Amt 20 Jahre lang. Dann wurde der herausragende Medienmann Herausgeber der Axel-Springer Zeitung “Welt” und ‘Berliner Morgenpost’ und ist als Berater dieser Gruppe bis heute tätig. Aldo Parmeggiani hat Prof. Stolte in der Reihe „Menschen in der Zeit“ für uns interviewt.


Herr Professor Stolte,  Sie waren lange Zeit Intendant einer der größten Fernehanstalten Europas. Verantwortlich fùr den journalistischen Bereich, verantwortlich für gesellschaftspolitiche Entwicklungen, für die Kultur, die Kunst, das Theater, die Musik, die Unterhaltung und natürlich für den finanziellen und wirtschaftlichen Bereich eines bedeutenden Medienunternehmens. Zu welcher dieser jeweils grundverschiedenen Aufgaben fühlten Sie sich innerlich am meisten hingezogen?

’Innerlich habe ich mich am meisten zu allen philosophischen, religiösen und gesellschaftlichen Fragen hingezogen gefühlt. Das Fernsehen ist ein Medium von Menschen für Menschen  gemacht. Ich habe immer gespürt, dass das eine besondere Verantwortung ist.’

Wann haben Sie frühestens erkannt, dass Sie über ein besonderes Talent für eine allumfassende Öffentlichkeitsarbeit verfügen? Gab es da einen besonderen, entscheidenden Augenblick, in dem Ihnen bewusst wurde: das ist mein Weg?

‘Nein, es gab keine Berufsplanung, ich wollte nicht in die Medien gehen.Ich habe während meines Studiums für Zeitungen, Zeitschriften und Hörfunkanstalten gearbeitet, nicht aber um dort meine endgültige Berufsausbildung zu finden und meinen Berufsweg zu gehen, sondern um Geld zu verdienen. Mein eigentliches Ziel war, Professor für Philosophie zu werden’.

Sie konnten sich nach Beobachter-Meinung bei Ihrem Ausscheiden beim ZDF, das Sie 20 Jahre geleitet haben, mit Recht als der Mann würdigen lassen, der dem Fernsehen einen sicheren Platz in der deutschen Medienlandschaft gesichert hat. Was hat sich seither geändert? Was denken Sie über das Fernsehen heute? Ist es besser, ist es schlechter geworden?

‘Also, die Veränderungen, die eingetreten sind, sind technikbedingt. Das Medium Fernsehen ist immer ein technikgetriebenes Medium gewesen. Es ist mit dem Jahre 1982, -  Bernhard Vogel, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat dies einmal als Ur-Knall bezeichnet- , das duale Rundfunksystem eingeführt worden. Das hat einen Wettbewerb herbeigeführt und dieser Wettbewerb hat sich nicht segensreich auf die Entwicklung des Fernsehens ausgewirkt’.

Der Ondine-Dienst ist ja für beide Bereiche – Fernsehen und Printmedien – zu einem nicht mehr wegzudenkenden Instrument geworden. Sie waren auch auf dieser Ebene ein Pionier. Herr Professor Stolte: Internet, quo vadis?

‘Das Internet wird das Fernsehen grundlegend verändern. Es wird erstens die Konkurrenz weiter anheizen, Es wird neben dem Kabel-, neben dem Satellitenbereich eine weitere Plattform sein, auf der man Programme verbreiten kann. Hinzu kommt, dass ein nur unzureichend regulierter Internetmarkt entsteht, auf dem sich jeder tummeln kann, ohne dass er dafür die entsprechende moralische Kompetenz hat. Das wird zu einer ziemlich komplizierten Konfusion führen’.

Für einen öffentlich-rechtlichen Sender sind kritisches Bewusstsein, Weitsicht, Toleranz, Überparteilichkeit besonders wichtig. Welche Grundlinie würden Sie noch hinzufügen, und welche würden Sie als die wichtigste erachten?

‘Ich glaube, dass, wer ein solche Medium in der Hand hat – sei es als Intendant, Programmdirektor, Chefredakteur oder Moderator – über eine moralische Kompetenz verfügen muss. Diese moralische Kompetenz erwirbt man sich dadurch, dass man auch sich selbst gegenüber ganz bestimmte Werte abfordert und auch versucht, diese Werte zu realisieren’.

Laut mehreren Umfragen steht der Journalismus in einer Vertrauenskrise. Haben wir es heute nicht nur mit einer zunehmenden Politikerverdrossenheit, sondern auch mit einer Journalismusverdrossenheit zu tun? Wenn ja, warum?

‘Richtig ist, dass Politik und Journalismus aufeinander bezogene Pole sind, die beide für die Öffentlichkeit und für die Gesellschaft arbeiten. Je mehr die eine Seite in einem schlechten Ruf steht, desto größer wäre die Verantwortung der Journalisten, das entsprechend zu moderieren und auch zu korrigieren. Da muss ich zugeben: das findet heute nicht ausreichend statt. Auch der Jornalismus ist heute sehr stark wettbewerbsgetrieben so wie die Parteien auch schon immer wettbewerbsgetrieben waren. Das eine bedingt das andere - und das hat sich durch den Wettbewerb beschleunigt und leider nicht verbessert’.

Welchen Einfluss haben die Medien auf die junge Generation? Die Medien sind im Allgemeinen keine moralischen Anstalten, sondern Wirtschaftsunternehmen, deren Bilanzen stimmen müssen. Umfragen besagen, dass das Fernsehen weit mehr Einfluss auf Jugendliche ausübt, als etwa Eltern oder Lehrer und Schule.

‘Ich glaube, dass der Einfluss der Medien auf junge Menschen nicht kausaler Natur ist, sondern dass die Medien auf die Sprache, auf das habituelle Verhalten, auf die Verhaltensweise, auf die Moral eine besondere Wirkung haben. Leider nicht immer in einem positiven, sondern negativen Sinne’.

Ist das Angebot der rechtlich-öffentlichen Sendeanstalten in Deutschland für den katholischen Bereich hinreichend? Könnten Sie sich vorstellen, dass ein eigener TV-Kirchensender in Deutschland Erfolg haben könnte?

‘Lezteres glaube ich nicht. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass öffentlich-rechtliche Anstalten die Botschaft der beiden großen Kirchen in Deutschland zur Geltung bringen und dass es nicht notwendig ist, dass ein eigenes katholisches Fernsehprogramm in der Trägerschaft der Kirchen –sei es der katholischen oder der evangelischen Kirche – angeboten wird. Das ist viel zu kostenintensiv und zu mühsam.’

Ich darf, da es sich um ein Geburtstagsgespräch handelt, Ihnen jetzt bitte auch ein paar persönliche Fragen stellen.Was verdanken Sie Ihren Eltern, Ihrer Familie?

‘Ich verdanke meinen Eltern vor allem eine sehr klare religiöse, nicht frömmelnde, aber religiöse und moralische, an Werte gebundene Erziehung.’

Welche prägenden Eindrücke haben Sie aus Ihrer Jugendzeit mit ins spätere Leben genommen?

‘Ich bin ein Kind der Kriegs- und Nachkriegszeit gewesen, das durch Flucht, Vertreibung und Bombenschaden geprägt ist. Ich habe von 1944 bis 1953 in der DDR,  also in einem politischen Unrechtssystem gelebt. Diese Jahre haben mich außerordentlich geprägt, im Sinne auch der entschiedenen Positionen gegenüber allen Gruppen und Menschen, die versuchen, einen unzulässigen Einfluss auf Menschen und Gesellschaft zu nehmen’.

Sie werden im Munzinger-Archiv als römisch-katholisch angegeben. Tragen Sie diese Bezeichnung außer auf dem Papier auch in Ihrem Herzen?

‘Das kann ich mit Ja beantworten!’

Zu welchen christlichen Werten fühlen Sie sich besonders hingezogen oder vielleicht sogar verpflichtet?

‘Ich fühle mich besonders hingezogen zu dem, was die katholische Kirche Caritas nennt und was wir heute in unserer Gesellschaft Solidarität nennen. Meine persönliche Arbeit – die jetzt gar nicht mit zusätzlichem Geldverdienen zu tun hat - ist immer eine Arbeit des sozialen Engagements sowohl bezogen auf einzelne Menschen, wie auf das Gesamtgesellschaftliche. Ich versuche – wann immer es möglich ist – irgendjemanden der, ob zu recht oder zu unrecht, am Straßenrand der U- oder S-Bahn hier in Berlin die Hand aufhält, nicht zu übersehen und wegzuschauen, sondern einen kleinen Obulus zu geben, immer in der Hoffnung, dass er in die richtige Hand kommt’.

’Der Geist weht wo er will, und Du hörst sein Wehen wohl, aber Du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht’, heißt es im Neuen Testament. Welcher Geist weht in unserer Zeit und wohin wird er gehen?

‘Also wehen tut der Geist des Egoismus, der Gedankenlosigkeit und der zunehmenden Interesselosigkeit. Wohin das führt? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich muss jede Gesellschaft – und das ist ja nicht etwas, was man wünschen kann – alle Jahrzehnte durch eine besondere Belastung oder Erschütterung hindurch, damit sie aufgerüttelt wird und weiß, um was es geht. Ich bin schon sehr besorgt über das Ausmaß an Gedankenlosigkeit, Interesselosigkeit und Egoismus, das in unserer Gesellschaft feststellbar ist’.

Wie hat man sich so eine besondere Belastung,  Erschütterung und daraus resultierende Katharsis vorzustellen?

‘Vielleicht führt die weltwirtschaftliche Krise, in der wir uns befinden und die internationale Finanzlage auch dazu, dass wir uns über die moralischen Bedingungen, das ist ja auch eine Form von Erschütterung, die im Augenblick nur als ein leichtes Beben innerhalb unserer einzelnen Völker erkennbar wird – vielleicht führt diese Krise dann auch dazu, schon jetzt in dieser Form, wie wir es wahrnehmen, dass wir uns über die moralischen Grundsätze unseres Handelns, und zwar auch im politischen, wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Bereich, sowohl als Individuum, aber auch als Gruppe stärker bewußt werden’.

Herr Professor Stolte: Sie haben von Ihren Mitarbeitern beim ZDF ein ganz besonderes Abschiedsgeschenk bekommen: Sie wurden mit einem Astroiden – einem im Oktober 1990 entdeckten Himmelskörper - beschenkt, der nun auf den Namen ‘Stolte’ registriert ist. Denken Sie schon an ein außerirdisches Fernsehen?

‘Ich muss sagen, ich bin damals sehr verblüfft gewesen: ich wußte, was Astroiden sind, ich wußte aber nicht, wie die Namensgebung dieser Sterne erfolgt. Nur derjenige, der den Stern entdeckt hat, verfügt auch über das Recht, diesem Stern einen Namen zu geben. Meine Mitarbeiter hatten meine Tätigkeit beobachtet, auch meinen Einsatz für den grenzüberschreitenden Satellitenempfang im deutschsprachigen Kulturraum. Dadurch ist mir diese Ehre zuteil geworden, neben anderen Persönlichkeiten unserer Zeit – ich erinnere mich zum Beispiel an Einstein, mit dem ich mich wahrlich nicht zu vergleichen wage. Aber an ein außerirdisches Fernsehen habe ich noch nie gedacht!’

Sie bleiben lieber hier auf unserer schönen Erde….
 
‘Ich bleibe lieber hier auf unserer schönen Erde. Ich habe auch das Gefühl, hier gibt es genügend zu tun und ich freue mich, dass ich dieses auch in meiner jetztigen Lebensphase noch tun kann.’

Aldo Parmeggiani 8.11.09


 








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