2009-11-09 14:52:18

20 Jahre Mauerfall: „Freiheit verpflichtet“


RealAudioMP3 Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben an diesem Montag Vertreter von Kirche und Politik des Mauerfalls am 9. November 1989 gedacht. An dem Gottesdienst nahmen unter anderem Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teil. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, warnte in seiner Predigt vor neuen, geistigen Mauern und erinnerte an die Verantwortung Deutschlands in Europa. Birgit Pottler berichtet:

In der Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg erklang „In dir ist Freude“ von Johann Sebastian Bach; Freude über den Fall der Mauer und die Erfahrung der friedlichen Revolution. Die Gethsemanekirche war Schauplatz, war Ort des Widerstands in Berlin. Tausende Oppositionelle kamen ab Anfang Oktober 1989 zu Gebeten und zu Solidaritätsaktionen für inhaftierte Demonstranten. Die evangelische Kirche am Prenzlauer Berg sei nicht nur Zeugin für Jubelszenen, betonte der Berliner Landesbischof Wolfgang Huber und erinnerte an Unterdrückung und Repressalien in der DDR:
„Hier gab es auch – wie im Garten Gethsemane – Stunden der Verzweiflung. Hart trafen Zivilcourage und Freiheitsgeist auf die rohe Reaktion der DDR-Staatsgewalt. Mehr als fünfhundert Menschen wurden hier verhaftet und zum Teil mehrere Wochen festgehalten.“
In der vollbesetzten Kirche am Prenzlauer Berg saßen am Montagmorgen ehemalige DDR-Bürgerrechtler und katholische wie evangelische Organisatoren von Friedensgebeten, unter ihnen der damalige Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer. Über dem Eingangsportal der Kirche steht heute und stand vor zwanzig Jahren das Motto „Wachet und betet“.
Bischof Huber: „Damals haben Menschen die Zeichen der Zeit verstanden, Zivilcourage gezeigt, der Einschüchterung Widerstand entgegengesetzt. Und das ohne Gewalt, mit Kerzen und Gebeten. Schließlich war der Weg frei. Heute wollen wir die Freiheit bewahren, die damals erkämpft wurde.“
Diese Freiheit verpflichtet. Sie dürfe nicht zur „bloßen Floskel“ verkommen und müsse sich in Politik und Gesellschaft von heute realisieren.
„Gerade im Osten Deutschlands finden wir uns deshalb mit einer verbreiteten Arbeitslosigkeit nicht ab. Denn sie ist nicht die Freiheit, zu der die Menschen aufbrechen wollten. Wachsam achten wir darauf, unter welchen Mänteln sich rechtsextremes Gedankengut tarnt. Wachsam sind wir auch, wenn dem Unrecht des SED-Staats der Mantel der Verharmlosung umgehängt wird.“

20 Jahre nach dem Mauerfall sei deutlicher, was dieses Ereignis damals bedeutete, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Erzbischof Robert Zollitsch rief in seiner Predigt zur Solidarität mit Menschen und Völkern auf, „die in Unfreiheit leben müssen“. Deutschland habe die Aufgabe, als größer gewordenes Land „zu einem Europa beizutragen, das verlässlich der Verständigung unter den Völkern und Staaten dient“.

„Die Erinnerung an den 9. November 1989 und nicht weniger die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse der Reichspogromnacht am 9. November lehren uns unmissverständlich: Mauern – ob real oder in den Köpfen der Menschen – lösen keine Probleme. Im Gegenteil: Sie schaffen Probleme. Sie verbauen Zukunft.“

Gleichzeitig warnte Zollitsch vor „potentiellen Mauerbauern“, die es auch heute noch gebe.
„Sie sollten nicht das Sagen haben, weder in der Gesellschaft noch in den Kirchen. Und zudem gilt: Der Wille zur Verständigung und zur Vertiefung der Einheit ist keine Einbahnstrasse. Wir sind gemeinsam in Ost und West aufgerufen, in Geduld und Ausdauer weiter Brücken zueinander zu bauen.”

„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist…“ Im August 1989 entstand dieser Text anlässlich einer Hochzeit. Doch die Verse trafen den Zeitgeist, die Liedblätter wurden kopiert und bei den Friedensgebeten verteilt. Heute stehen die drei Strophen im bundesweiten evangelischen Gesangbuch, viele Menschen in der Berliner Gethsemanekirche sangen am Montag auswendig: „Vertraut den neuen Wegen… Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“

Erzbischof Zollitsch erinnerte an den „Ruf der Massen nach Freiheit“ und betonte die Rolle der Kirchen beim Mauerfall. „Das Montagsgebet gab vielen – auch Kirchenfernen und Ungetauften – die Kraft und den Mut für die Montagsdemonstrationen.” Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnerte an den langjährigen ideellen Einsatz von Johannes Paul II. aber auch an die „vielen Väter und Mütter” der Einheit, die „nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen“.

Der Gottesdienst zum Jahrestag – Bestandteil des offiziellen Programms und mit Beteiligung der großen Kirchen in Deutschland sowie Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen – spiegelte die großen und kleinen Beiträge wider, die das DDR-Regime zu Fall brachten. Posaunenklänge und Jubelrufe waren nicht die einzigen Töne. Vor dem lautstarken „Großer Gott wir loben Dich“ erklang leise – wie 1989 in stetem Crescendo – das Friedensgebet: „Dona nobis pacem“.
(rv/pm 09.11.2009 bp)








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